. Didaktische Analyse
1.1. Struktur des Inhalts
Die quadratische Ergänzung ist normalerweise ein Zwischenschritt des Beweises der sogenannten P-Q-Formel1. Es ist dennoch sinnvoll, diesem Thema eine volle Unterrichtsstunde zu widmen, da diese Methode bis zur Oberstufe das einzige Verfahren zur Lösung von Minimierungs- aufgaben ist, das den Schülern vermittelt werden kann. Zudem stellt die quadratische Ergänzung innerhalb der kognitiven Struktur, die sich zu diesem Themenbereich bilden sollte, ein zentrales Element dar, da die - den Schü lern bisher als unabhängig erscheinenden - Gebiete "Binomische Formeln" und "Verschiebung der Normalparabel" in engen Zusammenhang gestellt werden. Somit dient die quadratische Ergänzung auch als exemplarisches Beispiel für die Anwendungsmöglichkeiten der Binomische Formeln. Hinzu kommt die Methode der - oft so bezeichneten - "Nulladdition", die in den folgenden Jahren noch häufig verwendet wird und, obwohl sie den im allgemeinen ordnenden und vereinfachenden Methoden der Mathematik scheinbar zuwiderläuft, da sie den Term zunächst verkompliziert, ein elegantes und für die Schüler sicherlich zu Beginn überraschendes Hilfsmittel bei Beweisverfahren darstellt.
Die Aufgabenstellung besteht darin, einen Term der Form x2+px+q in die Form (x+a)2+b zu bringen, aus der man den Scheitelpunkt (d.h. das Minimum bzw. Maximum der Funktion) ablesen kann. Hierzu bringt man die Gleichung zunächst auf die Form x2+2p/2 +p2/4 - p2/4 + q, indem man p2/4 addiert und dann wieder subtrahiert (Es wird also insgesamt Null addiert.). Auf die ersten drei Summanden kann nun die erste Binomische Formel angewandt werde, was zur Form (x+p/2)2-p2/4+q führt. Nach dieser Herleitung kann letzteres dann als Schema verwandt werden.
Die andere Dimension der Aufgabe (zumindest in der Form, wie das Problem hier präsentiert werden soll) besteht darin, zu erkennen, wann ein Problem zufriedenstellend gelöst ist. D.h. die Schüler sollen - ausgehend von Beispielen - selbständig zu dieser allgemeinen Darstellung finden. Dies ist eine wertvolle Vorübung für spätere Aufgabenstellungen (insbesondere im außerschulischen Bereich), in denen es keine konkreten Zielvorgaben, sondern nur noch ein zu lösendes Problem gibt und der Schüler entscheiden muß, wann er mit der Bearbeitung aufhören kann.
1.2. Vorkenntnisse der Schüler
Die Schüler müssen die Binomischen Formeln sicher anwenden können. Zudem sollten bereits einfache Übungen zum "Verschieben" der Normalparabel im zweidimensionalen orthonormalen Koordinaten- System durchgeführt worden sein. Die Hausaufgabe der vorigen Stunde sollte sich auf diese Gebiete beziehen. Eventuell ist es sinnvoll, daß Thema "Koeffizientenvergleich" vorher behandelt zu haben, da dann die "Umkehrung" der dritten Binomischen Formel leichter fallen würde; dies ist aber nicht notwendig.
1.3. Lernergebnis
Primäres Ziel ist es, daß die Schüler das erwähnte Schema anwenden können, und verstehen, warum es gültig ist. D.h. zum Ende der Stunde soll die Formel (x+p/2)2-p2/4+q an der Tafel stehen. Gleichzeitig soll aber auch die Methode der "Nulladition" verstanden werden, die häufig als Hilfsmittel bei Beweisen verwandt wird. Unterschwellig kann zudem die Erkenntnis vermittelt werden, daß auch in der Mathematik Umwege schneller zum Ziel führen können und Erfahrungswerte eine Rolle spielen (die Anwendung der Nulladition begründet sich nur aus dem Ergebnis, nicht aus einer Regel). Letztere Einsicht ist insbesondere als geistige Vorbereitung auf das unvollständige Kalkül der Integralrechnung sinnvoll. Des weiteren sollen die Schüler am Ende in der Lage sein, zu begründen, warum man die Überlegungen nicht zu einem früheren Zeitpunkt hätte beenden können, und warum das gefundene Ergebnis weitgehend zufriedenstellend ist. Wünschenswert wäre es wenn einer der Schüler aus eigenem Antrieb darauf kä me, daß Parabeln der Form cx2+px+q auch noch betrachtet werden sollten.