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Forum: "Geschichte"
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| Geschichte | | von: rhauda
erstellt: 03.06.2008 21:57:36 geändert: 04.06.2008 13:56:34 |
Sie liebte Geschichte. Sie liebte die Texte, die Abbildungen, selbst die etwas mathematisch anmutenden Tabellen und Graphen erzählten ihr Geschichten über Menschen, Völker, Könige und Länder. Mittlerweile hatte sie eine stattliche Sammlung historischer Romane, den Stoff in der Stadtteilbibliothek hatte sie schon nach kurzer Zeit durchgelesen gehabt und nichts ging über eine saftige Verbindung von Liebesgeschichte, Abenteuer und …ja…Geschichte. Einiges an Taschengeld war schon dafür draufgegangen.
Einmal hatte sie im Unterricht eine Sendung über Eleonore von Aquitanien erwähnt, die sie auf ARTE gesehen hatte. Die meisten der Mitschüler wussten nicht einmal, was ARTE war. Eine Menge Spott hatte sie sich damals in der Pause anhören müssen. „Artistin!“, hatten sie ihr zugerufen. „Trittst du jetzt im Zirkus auf?“.
Sie wusste mehr über Geschichte als irgendjemand sonst in der Klasse, aber irgendwie schaffte sie es nicht, auf dem Zeugnis über einen Dreier hinauszukommen.
Schriftlich war das kein Problem. Bei der ersten Klassenarbeit hatte nur ein Punkt an der Eins gefehlt. Beim zweiten Mal hatte es dann geklappt. Eins. Hundert Prozent der erreichbaren Punkte.
Beim Elternsprechtag hatte Frau Roth-Wassberg sie in den höchsten Tönen gelobt.
„Was sie alles weiß! Es ist erstaunlich. Wenn keiner mehr antworten kann, sie kann die richtige Antwort geben.“ Dabei hatte Frau Roth-Wassberg das SIE betont. „Aber die mündliche Note setzt sich ja aus vielen Dingen zusammen.“
Ja. Viele Dinge. Lernplakate, zum Beispiel. Ein Lernplakat, da musste man zu einem Thema recherchieren, die wichtigsten Fakten zusammenfassen, alles so aufschreiben und bebildern, dass es gut aussah und dann vor der ganzen Klasse vortragen. Dabei durfte man dann aber nicht ablesen. Man musste schon auch viele Extra-Informationen geben. Fast wie bei einem Referat.
Sie hatte das Thema „Frauen im Mittelalter“ vorgeschlagen und freute sich auf die Arbeit.
Dann hatte Frau Roth-Wassberg den Lostopf hervorgeholt. Marcel und Laura waren ihr zugelost worden. Später sagte sie sich, dass ihr unwillkürliches, stummes Aufstöhnen beim Nennen der Namen ihr eigentlich schon hätte sagen müssen, dass es nichts werden würde mit einem guten Plakat. Marcel war gleich beim ersten Mal krank gewesen und Laura hatte nicht ein einziges Stück Information zu dem Plakat beigetragen, sondern sich in der Flurnische, in der sich die beiden während der Geschichtsstunden zur Arbeit niedergelassen hatten, hauptsächlich mit dem Senden von Textnachrichten an ihren neuen Freund beschäftigt. Ab und zu hatte sie ausgelassen gequiekt, oder gekichert, wenn sie eine Antwort bekommen hatte.
Ein paar Mal hatte sie versucht, Laura zum Arbeiten zu bewegen, aber immer nur ein „Lass mich doch Mal!“ zur Antwort bekommen.
Seufzend hatte sie sich von Laura abgewandt und versucht, die Informationen, die sie in der Bibliothek zusammengetragen hatte, aufs Plakat zu bringen. Bilder hatte sie im Internet gefunden.
In der zweiten Stunde, am Dienstag, war Marcel wieder nicht da und Laura hatte wieder nichts mitgebracht. Sie waren weit zurück hinter den anderen Gruppen. Frau Roth-Wassberg war einmal kurz vorbeigerauscht, hatte mit einem Blick auf das noch unfertige Plakat geschaut und den Kopf geschüttelt. „Das ist einfach zuwenig!“, hatte sie gesagt. Da war sie fast so weit gewesen, etwas zu sagen. Sich zu beschweren. Aber das macht man nicht. Man petzt nicht.
In der dritten Stunde war Marcel auch anwesend gewesen. Er hatte sich einen dicken schwarzen Filzstift genommen und das Plakat signiert. „Chekker“ hatte er unten in die Ecke geschrieben. So richtig graffittimäßig. Laura hatte sich endlich herabgelassen, auch etwas zu der Arbeit beizutragen und hatte das Bild von der Hexe mit der Wasserprobe noch mit einem Rand von Herzchen versehen.
Dann hatten sie aufhören und das Plakat vorstellen müssen. Gleich als Zweites waren sie an der Reihe gewesen. Bevor sie etwas sagen konnte, hatte sich Laura die sorgsam zusammengestellten Notizen gegriffen und gerufen: „ICH mach das!“
Am Ende hatte es für die Gruppe eine knappe Vier gegeben. Aber nur, weil sie noch einige Dinge hatte hinzufügen können zu Lauras unsäglichem Gestammel.
Dann hatte sie das Unaussprechliche getan. Sie war zu Frau Roth-Wassberg gegangen und hatte versucht, ihr zu erklären, wie das Plakat zustande gekommen war.
Frau Roth-Wassberg hatte gemeint, dass sie bei 33 Schülern in 3 Räumen nicht im Blick haben könne, wer arbeite und wer nicht. Und „Mitgefangen, mitgehangen!“ hatte sie gesagt. „Du hättest dich halt durchsetzen müssen.“
Eleonore hätte sich durchgesetzt, dachte sie.
Sie liebte Geschichte.
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| Schwache Lehrerleistung, sorry | | von: emiliach
erstellt: 04.06.2008 21:14:25 geändert: 04.06.2008 21:16:18 |
Wenn ich tatsächlich den Anspruch habe, meine Schüler fair bewerten zu wollen, dann erschaffe ich mir als Lehrer auch die Möglichkeit, dieses tun zu können und wähle keine Aufgabe, die mir eine ausreichende Prozessbeobachtung unmöglich macht.
Den Ball dann an dieses junge Mädchen zurück zu geben, indem ich als Lehrer sage: "Pech gehabt, hättest Dich halt durchsetzen müssen" finde ich ausgesprochen schwach und unprofessionell.
Frau Roth sowienoch hätte die Aufgabe erweitern können, indem sie die jeweiligen Gruppenmitglieder klar damit hätte beauftragen können, bei der Präsentation zunächst einmal zu erklären, welches ihre Aufgabe in dieser Gruppenarbeit war und wie sie bei der Informationsermittlung- und Auswertung vorgegangen sind.
Leider ist das Motto "Friss oder stirb" nicht unweit verbreitet und ebenso die damit einher gehende fehlende Methodenkompetenz mancher Lehrkräfte. Viele Schüler zu haben ist sicher überwiegend sehr stressig und anstrengend, aber manchmal bietet sich hier auch die große Chance, viele Impulse, Gedankengänge, Aspekte usw. zu erfahren und bei gescheiter Anleitung lebendig präsentieren und diskutieren zu können.
Fazit nach dieser Schilderung: Die Lehrerin hatte nicht wirklich Bock auf das, was sie den Schülern aufgab zu tun.
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