Kurzbeschreibung: Manche Bücher bekommen von ihren Verlegern Klappentexte verpasst, die die Enttäuschung beim Leser geradezu herausfordern. Zu diesen Bänden zählt (leider) auch Knaurs Bildatlas Drittes Reich. Denn wo sich auf den 178 Seiten bitte schön ein "detaillierter Überblick" über die Nazi-Zeit finden soll, das bleibt das Geheimnis des fantasiebegabten Umschlagtexters. Dieser Band ist vieles, detailliert ist er nicht!
Das will er aber auch gar nicht sein. Nicht schlachtengenaue Darstellungen des Weltkrieges, nicht penible Aufarbeitung des Holocaust, nicht präziser Ablauf jedes NS-Tages waren Anliegen dieses Buchprojekts. Wilhelm Wagner durchsuchte vielmehr Bildarchive nach weit gehend unbekannten Fotos, ließ modern aufgebaute farbige Landkarten sowie Schaubilder erstellen und verfasste knappe Begleittexte dazu. Mehr als eine Doppelseite wird den chronologisch-übersichtlich geordneten Abschnitten wie "Allmacht der Partei", "Mythos Autobahn" oder "Mord mit System" dabei nie gewidmet -- von "detailliert" kann angesichts solch komplexer Themen also nicht die Rede sein.
Als Einsteiger-Information in die Hitler-Zeit funktioniert der Band hingegen sehr gut: Das umfangreiche Bild- und Grafikmaterial ergänzt die in "allgemein verständlicher Sprache" -- so des Autors (gelungene) Absicht -- geschriebenen Übersichtskapitel sehr gut. Ideal für Schüler und Menschen, die sich schnell informieren wollen beziehungsweise müssen. Lobenswert ist auch, dass der Band lange vor Hitlers Machtübernahme einsetzt und so auch die historischen Ausgangsbedingungen berücksichtigt. Fünfzig zusätzliche Seiten hätten der Publikation freilich gut getan, im Sinne einer etwas ausführlicheren Beschreibung der Kriegsereignisse, die doch sehr dürftig abgehandelt werden.
Trotzdem könnte es dem Bildatlas Drittes Reich gelingen, bei seinen Lesern Interesse an weiterführender Literatur zu wecken -- und die wird dann zwangsläufig detaillierter sein. --Joachim Hohwieler