"Seit 14 Jahren hat die Nikolaus-August-Otto-Oberschule in Berlin ein Schulprofil, das stark von den üblichen Vorgaben im öffentlichen Schulwesen abweicht. ...
Ausgehend von den Bedingungen und den Erwartungen an unsere Schulabgänger war es notwendig die Ziele neu zu formulieren...
Die stabile Lerngruppe ersetzt als Bezugsgruppe die aus der primären Sozialisation fehlenden Erfahrungen des Miteinander- und Füreinander- Arbeitens bzw. Lebens. Dem schul- (und gesellschafts-)typischen Modell der Konkurrenz ist das der Solidarität entgegenzusetzen.
Der Schwerpunkt der Arbeit der LehrerInnen verlagert sich: Aus den Unterrichtenden werden Beratende bzw. Helfende, deren Aufgabe es ist, Methoden des Arbeitens und Lernens zu vermitteln, Kommunikationsfähigkeit und soziale Kompetenz zu entwickeln, Strategien zur Konfliktvermeidung bzw. -bewältigung bereitzustellen und moderierend den Fortgang der Arbeit und des Lernens zu unterstützen.
Die wissenschaftliche Trennung der Lerninhalte verhindert zumeist das Lernen, da sie regelmäßig den Verwendungszusammenhang abschneidet, der aber gerade Kristallisationspunkt möglicher Motivation ist.
Unterrichtsthemen werden daher möglichst fächerübergreifend angelegt. Im Projekt werden die Arbeitsverfahren der verschiedenen Fachrichtungen - je nach inhaltlicher Beteiligung - integriert...
Noten, die Hoffnung auf einen guten Schulabschluss, dessen Umsetzung in einen Ausbildungsplatz und befriedigende Berufstätigkeit sind keine ausreichende Erfolgsbestätigung - und auch nicht mehr einlösbar.
Die Schüler/innen können unter der Bedingung ständiger Benotung ihre Lerndefizite nicht benennen und dann angehen, da sie damit ihre Zensuren gefährden. Sie sind zum Bluffen genötigt, letztendlich dazu, nichts hinzuzulernen, sondern auch sich selbst zu täuschen.
Da Schule zur Vergabe von Abschlusszeugnissen verpflichtet ist, kommen wir aus dem Dilemma nicht heraus. Aber wir müssen immer wieder nach Möglichkeiten suchen, zumindest zeitweise oder teilweise den Druck der Zertifikatsvergabe, die Benotung auszusetzen. Wir tun dies für die ersten drei Halbjahre an unserer Schule.
Der Verlust der Zensierung ist für LehrerInnen zunächst schwerwiegender als für SchülerInnen. Mit der Notengebung fehlt den Lehrenden das althergebrachte vermeintliche Motivations- und Disziplinierungsmittel. Und wir müssen auch als Lehrende erst wieder lernen, dass nicht die Klassenarbeit, der Test, die Note das Ziel des Unterrichts ist, sondern die gewünschte und zu bewirkende Veränderung beim Schüler, bei der Schülerin."
Link eingetragen von thomas am: 06.11.2003 00:17:36