Oft hört man die Meinung, möglichst viel zu testen wäre eine gute Sache. Nicht nur bezüglich der Corona-Infektionen, sondern auch z.B. für die Krebs-Früherkennung. Von letzterer her ist mir die Problematik bekannt, aber es hat einen externen Anstoßes erfordert, dass ich den Mechanismus auch bei den Corona-Testungen erkannte.Es ist ein universelles Problem mit gravierenden, schier unglaublichen Auswirkungen.
WARNUNG: Ich bin berüchtigt für ausufernde Erklärungen. Das ist hier unvermeidlich, wenn man die Dinge nachvollziehbar beschreibt. Dafür verspreche ich, mich anschließend auf keinerlei Diskussionen einzulassen, die über klärende Erläuterungen hinausgehen.
Wer solche auf Nachvollziehbarkeit abzielende detaillierte Erläuterungen nicht mag, möge bitte von der Lektüre Abstand nehmen.
Als Literatur empfehle ich diese Ausgabe des Ärzteblatts
Sensitivität: Wahrscheinlichkeit, dass ein Infizierter positiv getestet wird.
Spezifität: Wahrscheinlichkeit, dass ein Nicht-Infizierter negativ getestet wird.
Sensitivität und Spezifität für die üblichen PCR-Tests sind nicht genau bekannt. Bezugnehmend auf das BMI rechnet das Ärzteblatt mit einer Sensitivität von 70% und einer Spezifität von 95%.
Entscheidender Parameter bezüglich der Qualität von Tests: Inwieweit werden Verdachtsfälle getestet und keine zufällige Stichprobe gezogen (Prävalenz-Problematik).
Ich rechne das hier für 2 der 3 im Ärzteblatt dargestellten Situationen durch. Auf die genauen Zahlen kommt es nicht an, es geht darum, die beteiligten Mechanismen aufzuzeigen und ein Gefühl für die Größenordnung des Fehlers zu bekommen.
Situation 1: mäßiger Verdacht - Person geht zum Hausarzt. Angenommene Prävalenz: 3%.
Situation 2: deutlicher Verdacht - Person ist alt und lebt in einem Altenheim mit identifizierter Infektion. Angenommene Prävalenz: 20%.
Im Folgenden sind die Daten für Situation 1 direkt aufgeführt und die für Situation 2 in Klammern.
Für die nachstehenden Rechnungen gehe ich von 1000 Testungen aus.
Tatsächlich Infizierte: 30 (200)
Nicht Infizierte: 970 (800)
Infizierte mit positivem Testergebnis: 0,7*30=21 (0,7*200=140)
Nicht Infizierte mit negativem Testergebnis: 0,95*970=922 (0,95*800=760)
Infizierte mit negativem Testergebnis: 30-21=9 (200-140=60)
Nicht Infizierte mit positivem Testergebnis: 970-922=48 (800-760=40)
Personen mit positivem Testergebnis: 21+48=69 (140+40=180)
Personen mit negativem Testergebnis: 922+9=931 (760+60=820)
Fehlerrate bei positivem Testergebnis: 48/69=70% (40/180=22%)
Fehlerrate bei negativem Testergebnis:
9/931=1% (60/820=7%)
Das RKI hat gestern ausgewiesen, dass vorige Woche unter 1000 getesteten Personen im Schnitt 8 Infizierte täglich gefunden wurden. Wenn wir für diese Testungen eine Prävalenz annehmen ähnlich wie in Situation 1, sind von den 8 positiv Getesteten nur 2 tatsächlich infiziert!
Die Problematik gilt für jede Form von Massentests und sind der Grund, warum solche Tests ohne andere Verdachtsmomente i.d.R. nicht sinnvoll sind. Denn dann liegt nicht einmal die Prävalenz von Situation 1 vor und die Fehlerrate ist noch katastrophaler. Wobei ein Fehler von 70% bereits jenseits von gut und böse ist.
An anderer Stelle gab es die Feststellung, dass die vom RKI ausgewiesene, sich durch die Testungen ergebende Neuinfektionsrate eine obere Grenze für die tatsächliche Neuinfektionsrate ist. Die Fehlerbetrachtung hier lässt vermuten, dass es sogar einen deutlichen Abstand von der echten zur beobachteten Neuinfektionsrate gibt.