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Forum: "Kollegengespräch Religionsunterricht"
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 | - |  | von: ninniach

erstellt: 18.08.2006 19:43:58 |
Ich habe auch ein etwas ungutes Gefühl bei dem Religionsunterricht so wie er jetzt statt findet. Wünschen würde ich mir eher einen Ethikunterricht, in dem auch die verschiedenen Religionen thematisiert werden.
Das liegt bei mir in erster Linie daran, dass ich es für ungerecht halte, dass bei der jetzigen Form des Religionsunterrichts zwei Religionen bevorzugt werden und sich zumindest die staatlichen Schulen da neutraler zu verhalten hätten. Diese Streits um Kopftücher macht das ganze natürlich auch nicht leichter. Das wirkt leicht so als sollte die eine Religion draußen bleiben, während die anderen in der Schule einen offiziellen Platz haben.
Ich weiß auch nicht genau, wie das mit dem Religionsunterricht überhaupt ist: Wer trägt die Kosten dafür? Wer hat in Bezug auf die Inhalte das Sagen? Das alles wäre vielleicht eine andere Sache, wenn es ganz und gar transparent wäre, wer da für was zuständig ist und so weiter. (Wie viele Ressourcen könnte man denn tatsächlich einsparen, wenn der Religionsunterricht von der Kirche getragen wird? Ich weiß von meiner alten Grundschule, dass der Religionsunterricht durch Pfarrer abgedeckt wird. Ich glaube auch zu wissen, dass unsere Pfarrerin kein extra Gehalt dafür bekommt, sondern das diese Stunden auf ihre halbe Pfarrstelle angerechnet werden.)
Aber wenn ich das entscheiden müsste, würde ich auch den Religionsunterricht so nicht stattfinden lassen, sondern eher ein Fach einrichten, dass dem Verständnis der verschiedenen Religionen dient und schon durch sich selbst den Schülern zeigt, dass alles nebeneinander existieren kann, ohne dass jemandem Schaden entsteht. |
 | Beliebigkeit |  | von: rfalio

erstellt: 18.08.2006 20:06:17 geändert: 18.08.2006 20:07:27 |
Europa gründet sich auf eine lange christlich geprägte Tradition. Daher haben die christlichen Religionen bei uns eine besondere Stellung.
In Bayern ist es so, dass der Lehrplam von Staat und Kirche genehmigt wird; der Staat ist für die Organisation des Unterrichts verantwortlich, die Kirche für den Inhalt. Jeder katholische Religionslehrer braucht die sogenannte "Missio canonica", die kirchliche Unterrichtserlaubnis. Für evangelische Religionslehrer gilt Ähnliches.
Ein Religionenunterricht / Weltanschauungsunterricht oder wie man es auch immer nennt fördert meines Erachtens nach nur eine gewisse Beliebigkeit, setzt keine festen Standpunkte, lässt Vieles im Unbestimmten.
Werte zu vermitteln gelingt einfach besser, wenn man von einem gesicherten Fundament ausgehen kann.
Für jeden, der diese Fundament nicht will, wird das Fach Ethik angeboten, so dass alle Schüler ( bzw. die Eltern) die Wahl haben.
Ehrfurcht und Verständnis für andere Religionen kann ich auch im konfessionell gebundenen Unterricht vermitteln.
Soweit zu den Argumenten oben.
Ich bin gerne Religionslehrer, weil eben dieses Fach eine Breite und Tiefe hat wie kein anderes, weil ich hier mit dem ganzen Menschen zu tun habe, weil ich eben nicht nur Wissen vermittle, sondern Einstellungen, Werte, Lebensgefühl.
Für mich ist es dabei wichtig, aus eienr gesicherten Grundhaltung heraus, die ich auch den Schülern gegenüber überzeugend vertreten kann, zu argumentieren, vorzuleben, zum Nachdenken zu bringen.
Ich möchte keinen Schüler "katholisch machen", aber ich möchte sie dazu bringen, über den Sinn ihres Lebens nachzudenken und hellhörig zu sein für die religiöse Dimension. Das kann ich aber nur dann wirklich überzeugend, wenn ich selbst diese Dimension vertrete!
rfalio
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 | Zwiespältig |  | von: rhauda

erstellt: 18.08.2006 20:22:37 geändert: 18.08.2006 20:24:52 |
Ich selbst bin an einem Franziskanerinnengymnasium gewesen. Dort war Religion eine Selbstverständlichkeit. Wenn man so eine Schule wählt, dann wählt man auch deren Konzept. Der Religionsunterricht selbst war ungeheuer bereichernd und ich habe dort neben der spirituellen auseinandersetzung mit Glauben auch ein enormes Wissen angehäuft, das mir im Verständnis von Musik, Kunst, Geschichte und meiner eigenen Kultur immer wieder geholfen hat.
Ich glaube, dass das in einem Fach "Religionen" nicht so möglich ist. Schließlich basiert unsere westliche Kultur zum überwiegenden Teil auf dem Christentum.
Warum also konfessionsübergreifend alle Religionen zusammenlegen? Normaler Religionsunterricht behandelt doch schon Weltreligionen. Soviel ich weiß, ist das ein zentraler Punkt der Lehrpläne.
Was religiöse Inhalte betrifft, habe ich schon Schwierigkeiten damit, ab einer gewissen Klassenstufe die beiden Christlichen Religionen zusammenzulegen. Bei aller Ökumene gibt es eben doch gravierende theologische Unterschiede.
So die eine Seite. Jetzt die andere:
Die Realität ist allerdings, dass Schüler/innen mit Konfession sich langsam aber sicher in der Minderheit wiederfinden.
Wer von zu Hause aus religiös erzogen wurde, kann in der Kommunionsvorbereitung und in der katholischen Kirche oder auch beim Konfirmationsunterricht und in der evangelischen Kirche die nötige religiöse Bildung erfahren.
Bei Muslimen ist es ähnlich: Sie sind entweder gläubig und leben ihren Glauben mit regelmäßigem Moscheebesuch oder sie ignorieren ihn eben.
Faktisch wählen die Schüler/innen in der Mehrzahl immer den Religionsunterricht/Werte&Normen, der zufällig nicht am Nachmittag liegt, oder der in einer Randstunde liegt. Da hat man dann die Chance, eher nach Haus zu gehen, wenn die Lehrkraft fehlt.
Eltern begründen das auch ganz ungeniert bei jährlichen Wechseln immer wieder aufs Neue.
Was den Stundenplan betrifft, gibt es durch den ständigen Wechsel nach Lust und Laune zum Halbjahr die abenteuerlichsten Konstrukte.
Da muss dann plötzlich die W&N Kollegin mit 39 Schülern arbeiten, während die kR nur 14 hat und dei eR 25. Schön, dann beginnt man eben, die komplette Lehrerverteilung neu zu machen, weil ein Kurs geteilt werden muss und die anderen Anrecht auf Unterricht haben.
Das Religionsband ist neben Sport immer das, was im SekI-Stundenplan die meisten Zwänge erschafft und alle anderen Fächer müssen darunter leiden.
Wenn ich mir dann noch vorstelle, dass Fächer wie Geschichte nur noch durchgehend einstündig sind, oder die Schüler in Klasse 9 nur eine Stunde mehr Mathematik haben als Religion, dann denke ich mir auch oft, dass das Fach eigentlich über Gebühr Ressourcen schluckt.
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 | eigenes verständnis |  | von: eiszauberin

erstellt: 18.08.2006 20:23:24 |
ich selbst bin evangelisch und lebe in einem überwiegend evangelischen bundesland. erschreckend ist für mich jedes jahr neu, dass viele schüler heute nicht mal wissen, warum weihnachten und ostern gefeiert wird. also setze ich da im umfeld an. und nur, wer die eigene religion (zumindest die der mehrheit des umfeldes) verstehen lernt, der kann auch andere religionen verstehen lernen.
der umgang mit anderen religionen ist letztlich nichts anderes als der umgang mit anderen menschen.
und auch für das geschichtliche verständnis sollte ein religionslehrer immer auch die anderen religionen im auge behalten. dennoch: wie rfalio so in etwa sagte: wir leben in genau diesem umfeld. und durch mein sein und mein lehrersein, aber auch durch mein vorleben in bezug auf andere religionen kann ich gut vertreten, als religionslehrkraft an einer deutschen schule zu unterrichten, in der religion als fach gegeben wird.
es steht ja auch den eltern frei, ihr kind von diesem fach beurlauben zu lassen, solange es weiter beaufsichtigt werden kann. das regelt jede schule dann für sich.
und als kleine anmerkung: sogar der eine oder andere kanzler schwört beim amtseid immer noch auf Gott!
lieben Gruß euch,
eiszauberin |
 | Seltsam |  | von: ishaa

erstellt: 18.08.2006 20:27:46 |
ist es schon mit dem Religionsunterricht. Die meisten Inhalte finde ich absolut wichtig, aber die Organisationsformen sind schon sehr seltsam.
Beispiele:
An der Grundschule vor Ort gab es jahrelang einfach Religionsunterricht, an dem alle Kinder teilgenommen haben, es sei denn, die Eltern wollten dies nicht (Zeugen Jehovas, einige Moslems). Dann kam eine Kollegin, die evangelische Religion unterrichtete und die Kinder mussten "aufgeteilt" werden. Da mein Kind nicht getauft ist, wurde ich dann z.B. von der Klassenlehrerin angerufen und wir durften uns was "aussuchen".
Bei uns an der HS mit vielen schulmüden SchülerInnen ist der Reiz, ein Fach abwählen zu können, groß. Eindringlich sagen müssen wir den Kindern, dass bei möglichen Berufswünschen wie Erzieher/in, Krankenpfleger/schwester, Altenpflege etc. gerade bei uns auf dem Land mit vielen kirchlich gebundenen Einrichtungen dies die Ausbildungsmöglichkeiten unter Umständen stark einschränkt. Viele bleiben nur aus diesen Gründen im Religionsunterricht.
Religionsunterricht (von mir aus kann es auch Religionen oder Ethik oder Praktische Philosophie oder sonstwie heißen) wäre ein wichtiges Fach für die ganze Klasse (gerade als Klasse) und ein hervorragendes Klassenlehrerfach. Die meisten Klassenlehrer "dürfen" dieses Fach aber nicht unterrichten. Ich würde z.B. sehr gerne! Nun ist es aber so, dass ich erst katholisch und dann evangelisch war, dann bei den Evangelen auf dem Verwaltungswege verloren ging (oder nie richtig ankam....) und deshalb alles unterrichten darf, auch Mathematik im 10. Schuljahr oder Sport oder Musik (um mal die für mich entlegensten Gebiete zu nennen ), aber eben nicht Religion.
Schaut mal in die BASS, da gibt es zu jedem Fach was, für Religion erstreckt sich das über etliche Seiten, wer das darf und wer nicht.
An der HS wird gerade in den unteren Klassen oft der gesamte Unterricht von zwei oder drei KollegInnen übernommen, was nicht verkehrt ist. Nur für Religion muss dann aus den genannten Gründen noch jemand anders in die Klasse, was oft den Effekt hat, dass gerade dieses wichtige Fach wenig Anbindung an andere Fächer hat, von jemand unterrichtet wird, der die Kinder am wenigstens kennt und - manchmal - mit erheblichen Disziplinproblemen belastet ist. An Gymnasien sind letztere auch zu beobachten, da es in der SekI über Jahre das einzige Fach ist, in dem die Schüler nicht im Klassenverband unterrichtet werden.
Ohne alle diese seltsamen Regelungen könnte das Fach Relgion einen viel größeren Stellenwert haben. Religionsunterricht, der sich stark nur auf eine einzelne Konfession beziehen möchte, sollte m.E. außerhalb der Schule stattfinden.
Mmh, etwas ausgeufert, sorry
ishaa
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 | . |  | von: feul

erstellt: 18.08.2006 20:36:58 geändert: 18.08.2006 20:37:40 |
ich kann in vielen bereits oben genannten argumenten auch meine wiederfinden (besonders auch bei ishaa), deshalb hier keine wiederholung , sondern nur ein wenig österreichisches:
vor einigen jahren wurde in österreich die wochenstundenanzahl für schüler aus einsparungsgründen gekürzt (sogar zweimal hintereinander in wenigen jahren).
jede schule durfte autonom darüber entscheiden, welches fach/fächer dies betreffen sollte, es wurde nur ein rahmen vorgegeben, welche stundenanzahl innerhalb der 4 jahre hauptschule nicht unter- bzw. überschritten werden durfte.
einzige ausnahme: das fach religion durfte NICHT gekürzt werden, dies wurde vom unterrichtsministerium so vorgeschrieben.
(ich hab damals in einem schreiben ans ministerium um erklärung gebeten, die antwort war: das ist so.)
so kommt es, wie schon oben erwähnt, zu dem fall, dass schüler in ihren 9 pflichtschuljahren nur in deutsch und mathematik mehr unterrichtsstunden als in religion haben (sogar englisch sind weniger stunden!!).
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