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Forum: "Ab wann hat man "verloren"?"
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 | @reliente |  | von: lebensformen

erstellt: 11.06.2008 13:24:56 |
Hallo,
ich habe deinen Beitrag mit großer Betroffenheit gelesen, weil ich mir lebhaft vorstellen kann, was ihr da miteinander durchmacht.
Dass du als Fachlehrerin viel schlechtere Karten hast, für alle die Situation zu verbessern, haben ja schon andere geäußert.
Trotzdem denke ich, dass es möglich ist. Ich selbst bin Hauptschul-Fan, weil ich weiß, wie viel in den SuS steckt und dass man es rauslocken kann. Viele HS-Lehrer haben leider aufgegeben, weil sie meinten, verloren zu haben.
Ich mach das jetzt mal etwas "platt", damit es ganz klar rüberkommt:
Man muss erst die ganzen Mauern und Steine beseitigen. Dazu gehört zuerst, dass man sie ernst nimmt und sich klar macht, dass sie sich innerlich als die Verlierer fühlen (nicht du!). Egal wie cool sie sich aufführen, sie meinen selbst, dass sie "schlecht" sind, nichts wissen und sich nicht benehmen können, denn das bekommen sie ja immer wieder gespiegelt (manches Elternhaus, manche Lehrer oder eigene Ansprüche).
Die SuS haben sehr feine Antennen (wie eigentlich jeder Mensch) und achten darauf, wie du mit ihnen umgehst. Es reicht schon, wenn man mit heruntergezogenen Mundwinkeln reingeht. Und ich kann das gut verstehen, wenn ich z.B. auf einen Vortrag gehe und der Dozent grummelt vor sich hin, dann habe ich auch keine Freude daran. Nur wer ihnen mit Respekt begegnet, kann eine Beziehung aufbauen und dazu gehören m.E. viele Gespräche in der Gruppe und auch einzeln.
Ich habe schon sehr oft in der HS meinen Plan über den Haufen geworfen und sie einfach gefragt: Was ist heute los? Wie gehts euch? Was wünscht ihr euch? ... oder auch einfach mal von mir erzählt, wie es mir in der Klasse geht.
Nach und nach entsteht eine Vertrauensbasis und sie "normalisieren" sich.
Ich bin schon oft erschrocken, wenn ich mit provozierenden, lautstark störenden Schülern auf den Gang bin und nur gefragt hab: Was ist los mit dir? (nicht geschimpft!) und dann kamen Tränen, denn es war wieder irgendetwas Schlimmes zuhause oder sonst was. Und nach dem Gespräch, wenn sie das Gefühl hatten, da hat jemand zugehört, dann war alles besser und der Schüler konnte wieder mitmachen.
Fazit: Ohne persönliche Beziehung läuft es m.E. in der Hauptschule überhaupt nicht und dafür muss man sich Zeit nehmen und miteinander reden.
Ich wünsche dir alles Gute
lebensformen |
 | vielleicht bin ich zu |  | von: reliente

erstellt: 11.06.2008 18:34:44 geändert: 11.06.2008 18:37:16 |
ungeduldig und erwarte einfach zu viel. In der 7. Klasse habe ich durchaus teilweise diese Kontakte knüpfen können. In einer Stunde habe ich an die Tafel geschrieben: Reli ist blöd! Lehrer sind doof! Erst waren sie total irritiert, dann habe ich ihnen gesagt, dass ich mich genauso fühle, wenn ich vor ihnen stehe. Mein Fach ist für sie blöd und ich als Lehrer bin einfach doof. Und das ich im Moment keine Ahnung habe, wie ich es ändern kann und soll. Ich hatte dann noch Texte über die "Jugend von heute", die allerdings aus den letzten Jahrhunderten, -tausenden stammten. Mein Resumee war dann, dass sie gar nicht so schlimm sind, wie immer behauptet wird und dass mich das sehr beruhigt. (Das ist jetzt natürlich die Kurzform einer ganzen Stunden)
Einen Schüler, der mich immer provoziert hat, habe ich nach der Stunde mal mitgenommen und gefragt, warum er sich so verhält. Hinterher wusste ich viel von seinem Leben und er hatte meine Hochachtung, wie er es meistert. In den Wochen darauf hat er nicht mehr gestört.
Diese kleinen Erfolge gibt es durchaus. Ich habe auch eine Schülerin, die ist überall abgestempelt als Störenfried und schwierig. Sie ist meine beste Schülerin, ohne sie brauche ich kein Klassengespräch führen, da kommt nichts. Und das habe ich ihr gesagt, auch, dass ich ihr viel mehr zutraue und dass ich sicher bin, dass sie ihren Weg machen wird.
Nachdem ich die letzten Beiträge gelesen habe, denke ich über diese kleinen
"Vertrauenspflänzchen" nach. Ich bin jetzt ein halbes Jahr an der Schule, eigentlich habe ich schon etwas geschafft...
Aber irgendwie gelingt es mir nicht die 5./6. Klasse zu "fassen" Ich weiß nicht, wie ich es anders formulieren soll. Vermutlich sind sie noch zu jung, um sich ihrer Situation bewußt zu sein. (In der 7 haben die meisten mindestens einmal wiederholt) Diskussionen über Schule und Jugend betreffen sie scheinbar noch nicht und für die Spiele und Unterhaltung aus der Grundschule fühlen sie sich schon zu groß.
Da würde ich zwar gerne, aber es gelingt mir nicht, einen Zugang zu finden.
Es ist zudem schwierig, da ich in dieser Klasse eine Doppelstunde habe. Ich habe noch nicht gelernt, wie ich die Stunden richtig plane und fülle, dass ich immer mal wieder die Aufmerksamkeit bekomme. Spätestens nach 45 Minuten geht nichts mehr und dann fällt es mir schwer, sie für irgendwas zu begeistern.
Könntet ihr euch vorstellen, in der letzten Stunde (2. Stunde der Doppelstunde) im Unterrichtsbesuch eine Art Frühstücksrunde zu machen? Wie gesagt, es ist meine letzte Stunde vor den Ferien. Ich mache in einer anderen Schule immer so eine "Brotrunde" , da habe ich etwas dabei und wir reden darüber, wie es ihnen so geht. Das klappt bei denen sehr gut und sie fragen schon immer, was ich heute mitgebracht habe.
Im Moment habe ich immer noch keine Ahnung, was ich mit dieser Klasse während dem Unterrichtsbesuch machen soll. Das kommt ja wohl ziemlich klar rüber, oder?
Eigentlich wollte ich eine Ratewand machen, in der es verschiedene Fragen und Aktionsfelder gibt, aber ich habe es in einer Vertretungsstunde in der 6. Klasse versucht, das kam überhaupt nicht an. Problematisch war auch die Konkurrenzsituation durch die zwei Gruppen. Das habe ich zwar noch im Hinterkopf, aber eher gaaanz weit hinten.
Um es mal positiv zu formulieren: Ich habe ja noch ein paar Tage Zeit..... |
 | Unterrichtsbesuch... |  | von: sam58

erstellt: 12.06.2008 08:17:13 geändert: 12.06.2008 08:21:33 |
Hallo Reliente,
ich vermute auch, dass die kommen um zu sehen, wie Du so vor der Klasse stehst.. würde ich bei anderen Religionslehrern an der Schule nachfragen - oder im Zweifelsfall bei der Schulleitung, da Du ja keinen Mentor hast, ist das doch nur legitim.
Ich weiß jetzt nicht, was Du thematisch mit der Klasse in der letzten Zeit gemacht hast - denn neben dem Unterrichtsbesuch muss das Ganze doch auch verschriftlich und begründet werden, wieso jetzt das Thema mit der Methode und welche Ziele und, und, und ... ?!
Dass es sich dabei um eine Doppelstunde handelt, ist doch super - eine Einzelstunde empfand ich als eher stressig - in der kurzen Zeit alles gut hinbekommen ... so hast Du die Zeit, in Ruhe mit den Kids zu arbeiten.
Wenn die (und DU !!) schon mal Gruppenarbeit gemacht haben (hast), könnte man z.B. mit einer Geschichte/ Karrikatur oder einem Lied(text) in die Thematik einsteigen und sie dann anhand eines Fragenkatalogs (ggf. noch ein kurzer Text dazu) in Gruppenarbeit schicken, Ergebnis dann auf einem Plakat sichern - vorstellen lassen vor der Gruppe - Abschlussgespräch - und schwups - schon sind 90 Minuten vorbei
- Widerstände sind m.E. nur zu erwarten, wenn die Methode nicht bekannt ist - hier empfiehlt sich unbedingt auch ein Gespräch mit dem Klassenlehrer/ Klassenlehrerin... oder das Thema nicht "passt"... Schau doch mal bei den Stundenentwürfen unter Religion nach - da sind bestimmt einige Vorschläge dabei ...
Auf jeden Fall würde ich keine Methode nehmen, bei der noch keine Erfahrung vorliegt - ich bin da mal ganz, ganz böse auf die Nase gefallen, als ich meine ersten Erfahrungen mit "Rollenspiel" in meinem Unterrichtsbesuch gemacht habe ..
- alles war so gut geplant, fand ich ..
Gruß
Sam58 |
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