|
Forum: "neue Schulen braucht das Land"
Bitte beachte die Netiquette! Doppeleinträge werden von der Redaktion gelöscht.
|
 | Ausgeruht und mit stärkeren Nerven ... |  | von: veneziaa

erstellt: 05.03.2006 08:52:37 |
mache ich mich jetzt mal daran - meine Ankündigung auf Rückzug zurücknehmend -,mich mit diesem Forum auseinanderzusetzen.
Zunächst mal zu dir, rolf, der scheinbar ständig provoziert, was per se nicht schlecht ist, ruft es doch die unterschiedlichsten Lehrertypen auf ihre Meinungen / Einstellungen kund zu tun. Also, Provokation ist okay.
Was mir gar nicht gefällt, sind deine Analysen JEDEN Beitrags oder ein Kommentar mit Beurteilung - aus deiner Sicht!
Ich schätze mal, das haben dir viele Mitstreiter auch schon mal gesagt...
Dann weiß ich, dass du nicht mehr an der "Front" stehst (wie auch immer du das jetzt interpretieren /beurteilen/kommentieren magst. Es ist schon ein Unterschied, ob ich täglich mit meinem Schulalltag lebe und mich dort den unterschiedlichsten Problemen (oder freudigen Ereignissen!) stelle, oder ob ich zu Hause ein selbstbestimmtes Leben führe und über den theoretischen Überbau von Schule philosophieren kann. Mir jedenfalls fehlen dazu im Alltag Kraft und Muße.
Perfektere Verhältnisse in der Schule wären für mich VIEL weniger Bürokratie (als SL-Mitglied weiß ich davon ein Lied zu singen - und es wird hier in Hessen derzeit extrem schlimm, noch schlimmer!!). Ich hätte an der Spitze als "technischen Direktor" gerne einen Experten, Betriebswirtschaftler oder Manager, der EIGENE Gelder verwaltet und sinnvolle "Einkäufe" an Unterrichtsstoff bzw. Lehrern/Fachleuten anderer Art tätigt.
Ich hätte gerne die Eltern mehr in der Schule, damit sie ihre Kinder auch dort erleben, mit den Lehrern zusammen arbeiten..
Ich träume davon, dass ALLE Lehrer die Kinder als Menschen sehen, die unsere Hilfe beim Erwachsenwerden brauchen - als GANZE Menschen, nicht als Schüler. Daher auch Veränderung der "Vokabeln" in der Schule. Es sind KINDER oder JUGENDLICHE, nicht Schülerinnen und Schüler. In diesem Wort liegt berufliche Distanz.. oder?
Ich habe das große Glück, dass wir an unserer Schule (Europa- und Unescoschule mit 1550 Kindern aus 21 Nationen, Klasse 5 - 13) unsere uns anvertrauten Kinder, ihren kulturellen Hintergrund
respektieren. Der Umgangston unter den KollegInnen und zwischen Kollegen/Schülern ist sehr freundlich. Wir verkörpern keine Wissens-Vermittlunsanstalt, sondern eine Schule mit Herz. Und ich werde alles dafür tun, dass dies auch so bleibt.
In Hessen sind wir gezwungen (per Gesetz!!) , die G 8 - Klassen einzuführen. Das ist sehr bitter!!
Doch dazu mehr an einem anderen Tag... |
 | Wenn du einen Weg gehst |  | von: rolf_robischon

erstellt: 05.03.2006 08:55:38 |
Wenn du einen Weg gehst, kannst du erst hinterher beurteilen ...
und jetzt dein beispiel mit dem weg übertragen auf die schule, lieber rfalio:
in vielen schulen ist es ganz sicher so, dass die lehrenden den lernenden sagen, welchen weg sie gehen sollen, weil das ziel da hinten gut für sie sei.
in der schule von der ich rede, werden mögliche ziele offen gelegt und werden mögliche wege gezeigt oder frei gegeben.
der unterschied ist hinführen (treiben, überreden, locken) oder
informieren, begleiten.
beim "hinführen" gibt es allerhand ausfälle, verweigerung, ausbrechen, trödeln, anhalten, umkehren.
beim anderen nicht. |
 | Der Beitrag ist okay .. |  | von: veneziaa

erstellt: 05.03.2006 09:05:29 |
lieber rolf, wenn ich mal in deine Rolle verfallen darf!
Ich stimme dir zu, dass man auf vielen verschiedenen Wegen zum Ziel gelangen kann. So unterrichte ich oft und gern. ABER: Die Zielvorgabe mache ICH. Wie sollen denn die Kinder/Jugendlichen wissen, wohin sie gelangen müssen?
Darin stimme ich absolut NICHT mit dir überein: "In einer Schule, die okay ist, sagen die Kinder was sie lernen wollen...". DAS ist m. E. unverantwortlich. Nachher kann man dann sagen, es ist die Schuld der Kinder, wenn sie nichts gelernt haben - oder wie soll das gehen?
Wenn ich allerdings die Zielsetzung klar benenne, Hilfen jeglicher Art anbiete und zur Verfügung stelle, die Kinder bei der Problemlösung begleite, sie hier und da auf etwas aufmerksam mache, ihnen auch zur Erreichung des Ziels ein bestimmtes Zeitlimit gebe, dann ist das für mich in Ordnung.
Mir macht diese Art von Unterricht übrigens auch mehr Spaß - und nicht selten lerne ich von den Kindern.. |
 | zielvorgabe - zielsetzung |  | von: rolf_robischon

erstellt: 05.03.2006 10:04:41 |
hallo veneziaa
erstmal ein zitat
... jedes Mal, wenn wir einem Kind etwas frühzeitig beibringen, das es später für sich selbst hätte entdecken können, wird diesem Kind die Chance genommen, es selbst zu erfinden und es infolgedessen vollkommen zu verstehen.
Jean Piaget (Schweizer Psychologe, 1896 - 1980)
ich sehe einen deutlichen unterschied zwischen
"das musst du erreichen" (zielvorgabe)
und "all das ist erreichbar" (mögliche ziele zeigen, offenlegen, informationen und wege zeigen).
hinderlich für das zweite ist das tiefe misstrauen, kinder könnten eventuell "nichts" lernen oder zu wenig, wenn der sanfte druck und die "pflicht" fehlt.
du weißt, dass genau dieses misstrauen besonders bei lehrkräften ziemlich verbreitet ist.
man nennt das dann gerne "die vorgaben".
|
 | Und was ist mit dem Lehrplan ? |  | von: veneziaa

erstellt: 05.03.2006 10:18:35 |
Herrn Piaget durfte ich auch während des Studiums kennen lernen - wie wahrscheinlich alle Lehrer. Es mag sogar Recht haben, was das Lernen in der Familie betrifft, aber das ist doch SO nicht übertragbar auf die Institution Schule, die es als solche nun mal gibt.
Wollen wir tatsächlich bei allen Kindern warten, bis sie entdecken, dass es etwas zu entdecken gibt? Das funktioniert ja niemals. Denke doch nur mal an die unterschiedlichen Elternhäuser, die Anregungen und Hilfen geben - oder auch nicht!
Manche Ziele MUSS man auch erreichen, denn schließlich schwebt über uns allen der Lehrplan, der nun mal per Gesetz verbindlich ist. Gottseidank sind jedoch die WEGE zum Ziel noch nicht festgelegt...
Und "Misstrauen" bei Lehrern, dass sie den Kindern noch nicht genügend beigebracht haben (z.T.mit Vorlesungen wie an der Uni), sehe ich vorwiegend bei Gymnasiallehrern, die glauben, das werde von ihnen erwartet, dass sie den Nürnberger Trichter rausholen und reinschütten, was geht. Manche Eltern schreien danach, sonst würden sie ihre Kinder lieber bei uns an der (additiven) Gesamtschule anmelden als sie in die konservativen Gymnasien zu geben, wo es oft heißt: Vogel friss oder stirb! (Die armen Kinder!)
|
 | Abschlussprüfungen |  | von: veneziaa

erstellt: 05.03.2006 10:46:40 geändert: 05.03.2006 10:49:44 |
Wir in Hessen haben seit nunmehr zwei Jahren diese allgemein gültigen Abschlussprüfungen - und auch das Zentralabitur naht mit großen Schritten.
Sage ich also den Schülern am Anfang des Jahres, dass am Ende eine Prüfung ist mit diesen und jenen Anforderungen in Deutsch, Mathematik, Englisch z.B. - und dann legen die los und lernen, was das Zeug hält?? - gg -
Diese Prüfungen sind so aufwändig! Die Kollegen müssen sie alle (nebenbei und zusätzlich) zu ihren normalen Unterrichtsverpflichtungen nach festgelegten Vorgaben (starres Punktesystem)korrigieren. Armes Hessen!!
Wir stellen zwar fest, dass die Schüler im Hinblick auf die Abschlussprüfungen ernsthafter lernen, einige vorbildlich, aber wenn das die Motivation sein soll!
Zu rolfs Outing fällt mir ein: Alter 68-er! Bin zwar noch etwas jünger und habe die Reformen, die damals auf den Weg gebracht wurden, eher noch bewundernd als Schülerin gesehen, aber ich bin notgedrungen mit der Zeit gegangen - solange es um den Aufbau von Schulen mit mehr Transparenz, Durchlässigkeit, Toleranz, Akzeptanz .. ging.
Kannst du dir vorstellen, rolf, wie schrecklich es für mich ist, ein System (Gesamtschule), das ich dreißig Jahre lang mit aufgebaut und ständig verbessert habe, stoppen zu müssen und nun zu einem System (Dreigliedrigkeit von Schule, Einsortierung nach der 4. Klasse) gezwungen zu werden, das im Grunde gegen mich selbst arbeitet, weil es in die finstere Schulpolitik der 50-er Jahre zurück fällt? |
 Beitrag (nur Mitglieder) |
|
|