|
Forum: "Lehrer/Lernbegleiter"
Bitte beachte die Netiquette! Doppeleinträge werden von der Redaktion gelöscht.
|
 | . |  | von: palim

erstellt: 22.05.2006 00:07:22 |
Das Bild eines Reiseleiters, der die Reise führt, finde ich recht gelungen.
Meine Schüler "reisen" mit mir.
Wir gehen nach draußen und sie bekommen dort Beobachtungsaufgaben. Ohne diese würden sie draußen auch Spielen, Toben etc. Aber auf die Pflanzen am Wegesrand, die Veränderungen der Natur durch die Jahreszeiten hinweg würden sie nicht achten.
Wir gehen nach draußen und es gibt vielfältigste Anregungen, Entdeckungen rund um den Löwenzahn zu machen. Es ist erstaunlich, dass die Kinder die Pflanze zwar kennen und auch die Pusteblume gerne verpusten, aber dass an den Schirmchen Samen hängen hatten sie überwiegend nicht entdeckt. Ebenso entdecken sie anderes an der Pflanze, finden neue Aufgaben, sind in ihrer Neugierde geweckt und experimentieren und forschen selbst weiter.
So gibt es - ich denke in allen Fächern - viele Dinge, die es lohnt, Kindern zu zeigen.
Sicherlich gibt es Dinge, die man selbst entdeckt und sich darüber freut.
Ich erinnere mich, dass ich in der GS "entdeckt" habe, dass nach l,m,n,r nie tz und nie ck stehen - ich weiß, dass ich damals den zündenden Gedanken im Kopf hatte. Aber es war mein Lehrer, der mir den Weg dazu bereitet hat. Von mir aus hätte ich mich nicht auf den Weg begeben.
Ich weiß auch, dass meine Eltern mir schon früh gezeigt haben, wie die Pflanzen wachsen, mir erklärt haben, wie die Vögel heißen. Das geschah ganz nebenbei. Sie haben mir einfach gesagt und gezeigt, wie wunderbar die Natur ist und immer wieder betont, wie wichtig es ist, mit offenen Augen durchs Leben zu gehen. Die Begeisterung hat sich gehalten. Im Gegensatz zu vielen anderen Mitschülern und inzwischen Kolleginnen habe ich keine Probleme, heimische Pflanzen und Tiere zu benennen und gebe die Faszination gerne an meine Schüler weiter.
Meine Erfahrung ist, dass Kinder es sehr wohl mögen, wenn man ihnen eine Entdeckung zeigt, eine Faszination weiter gibt oder sich auch mal gemeinsam auf eine Reise begibt.
Bei Reisen haben wir wohl alle unsere Vorlieben. Der eine bleibt in der Nähe und entspannt - das genügt seinen Ansprüchen. Der andere braucht eine angeleitete Sight-Seeing-Tour, der dritte informiert sich selbst und entdeckt die gleiche Stadt auf eigene Faust und der vierte möchte einen waghalsigen Abenteuer-Tripp. Ein Reiseleiter hat es nicht leicht, allen diesen Typen in einer Reise gerecht zu werden.
Sicherlich sind manche Typen unzufrieden, wenn sie im Bus sitzen bleiben sollen und von Gebäude zu Event gekarrt werden, die ihnen alle als Höhepunkte verkauft werden.
Es genügt aber auch nicht allen, die Türen des Busses zu öffnen und zu sagen: geht los, wenn ihr mich braucht, trefft ihr mich hier wieder.
Palim
|
 | @nlzeitung |  | von: ishaa

erstellt: 22.05.2006 00:30:14 |
Mir fällt es schwer, einen Zusammenhang zu sehen zwischen deinem Beitrag und dem, was ich von Ziehe versucht habe rüberzubringen.
Erneuter Versuch, weniger Ziehe, mehr eigene Beobachtung: Das Bedürfnis der "Nabelschau", der ausschließlichen Beschäftigung mit sich und den jeweiligen Beziehungen zu anderen Menschen steht bei sehr sehr vielen meiner SchülerInnen im Mittelpunkt. Im 5. Schuljahr haben wir SchülerInnen, die nicht in der Lage sind, neben jemand zu sitzen, mit jemandem zusammenzuarbeiten, jemandem zuzuhören etc. Sie sind permanent damit beschäftigt, ihre Position in der Welt zu bestimmen, durch Abgrenzung, Auseinandersetzung, Ablehnung. Dazu eine Reihe von Heimkindern, die durch jahrelange psychologische Begleitung, Jugendhilfe-Gespräche und ähnliches gelernt haben, ihren Fokus auf diesen Bereich des Lebens zu richten.
Im 8. Schuljahr, dann (diese beiden Klassen sind meine vorrangigen Erfahrungswelten zur Zeit) vor allem viele Schülerinnen, die durch den Konsum von Unmengen von Talk-Shows, daily Soaps etc. darin bestärkt werden, dass die Problematisierung der eigenen Befindlichkeit und der Beziehungen zu anderen die eigentliche Welt darstellen und mit allem anderen möge man sie bitte nicht behelligen.
Für alle diese Kinder kann es eine Befreiung darstellen, sich in andere Welten zu begeben, Welten, in denen sie durchaus Erfolgserlebnisse haben können. Sie begeben sich aber nicht freiwillig, einem eigenen Impetus folgend dorthin, so dass ich sie nur noch begleiten müsste. Meine Aufgabe ist es z.T. sie dorthin zu führen, Strukturen, ein Setting zu schaffen, in dem sie auch einmal Abstand nehmen können/müssen von sich selbst.
Ziehe verweist auch auf den bekannten Dokumentarfilm "Rhythm is it", in dem deutlich wird, dass erst die Etablierung eines Settings, bestimmter Strukturen also, die eigentlichen Fähigkeiten von Menschen freisetzen kann.
Platt gesagt: Auch eine Strukur, gegen die ich mich erstmal auflehne, kann mir zu wirklicher innerer Freiheit verhelfen.
LG
ishaa |
 | @palim 2. Versuch |  | von: kla1234

erstellt: 22.05.2006 14:50:50 |
Palim: Bei Reisen haben wir wohl alle unsere Vorlieben. Der eine bleibt in der Nähe und entspannt - das genügt seinen Ansprüchen. Der andere braucht eine angeleitete Sight-Seeing-Tour, der dritte informiert sich selbst und entdeckt die gleiche Stadt auf eigene Faust und der vierte möchte einen waghalsigen Abenteuer-Tripp. Ein Reiseleiter hat es nicht leicht, allen diesen Typen in einer Reise gerecht zu werden.
Sicherlich sind manche Typen unzufrieden, wenn sie im Bus sitzen bleiben sollen und von Gebäude zu Event gekarrt werden, die ihnen alle als Höhepunkte verkauft werden.
Es genügt aber auch nicht allen, die Türen des Busses zu öffnen und zu sagen: geht los, wenn ihr mich braucht, trefft ihr mich hier wieder.
Du nimmst Reisen als Bild für Lernen. Gefällt mir. Du stellst fest, dass jeder doch weiß, wie er und was er lernen will. (und dass er lernen will, oder?)
Warum dürfen dann "manche Typen" nicht aussteigen, wo es ihnen gefällt?
Warum werden Dinge als Höhepunkte verkauft? Sie sind es doch einfach für den, den es interessiert und den, der davon erzählt auch, hoffe ich. Warum ist dein Reisebegleiter, der im Bus bleibt, nicht selbst an den Reisezielen interessiert, gibt keine Infos, macht keine Vorschläge, sucht kein Gespräch, ist so gar nicht erpicht auf Fragen? Wer soll das sein? (außer einem schlechten Lernbegleiter oder Lehrer, die es halt auch gibt.)
Lernbegleiter und Lehrer haben doch eine Schnittmenge. Der wesentliche Unterschied ist doch nur, dass freie Schulen ihre Schule an die Kinder anpassen, an ihre Kundschaft und nicht umgekehrt. Es wird einfach von der anderen Seite her gedacht. Das ist im Grunde viel einfacher, weil man nicht dauernd erraten muss, wie es dem Kind schmeckt und wie man die Ware Wissen verkauft.
LG
kla |
 | was brauchen die, um die es geht |  | von: nlzeitung

erstellt: 22.05.2006 17:11:42 |
für eine möglichst gute Entwicklung?
Diese Frage wird aus meiner Sicht viel zu zaghaft oder garnicht gestellt. Es geht in erster Linie um Menschen, genauer gesagt Menschenkinder. Es geht immer darum wer, was, wann macht für diese.
Ein Mensch braucht zum Entwickeln und Leben:
1. Luft mit Sauerstoff
2. Geeignete klimatische Bedingungen, bzw. passende Kleidung
3. Essen
4. Trinken
Bis hier hin gehen sie schon mal nicht Körperlich tot.
5. Das sie ihr Gehiern zum Denken nutzen, muss sich eine möglichst gut vernetzte Gehiernstrucktur bilden können
6. Da ihr Gehirn kein PC und auch kein Mac ist, brauchen sie etwas zum (be)greifen, damit sie Informationen speichern können
7. Seelische Unverletztheit
8. Körperliche Unverletztheit
9. Orientierung
10. eigene Erfahrungen
Wenn wir diese Liste weiterführen und danach versuchen zu schauen, was davon unsere Menschenkinder erreicht, können wir sehen ob Busfahrer oder so geeignet sind
Schönen Gruß
Stephan
PS: Bitte um Weiterführung der Grundbedürfnisse |
 | @palim |  | von: kla1234

erstellt: 22.05.2006 17:24:16 geändert: 22.05.2006 17:41:23 |
Ich glaube, die Sichtweise macht den Unterschied.
Wenn ein Kind etwas fragt und der Lernbegleiter antwortet und andere Kinder kommen dazu, fragen nochmal, mehr, und immer weiter, kann es passieren, dass ein Lernbegleiter lange und viel erzählt für eine größere aufmerksame Zuhörerschaft. (Die anderen sind anderweitig beschäftigt, vertieft in irgendetwas, spielend lernend, oder ruhen sich aus.)
Dieses Erzählen könnte dann ähnlich aussehen wie Frontalunterricht.
Wenn beim Frontalunterricht das Thema gut schmeckt, die Neugierigen fragen dürfen ohne sich für Nichtwissen zu blamieren, die Unaufmerksamen sich nicht zu sehr langweilen, die Störer nicht auffallen, die Interessierten nicht Streber geschimpft werden, die resultierenden Hausaufgaben nicht als anstrengende Pflicht empfunden werden, wenn die Unterrichtsbeteiligung nicht in falsch und richtig unterschieden gleich in der Strichliste für die Unterrichtsnote vermerkt werden würde, nach der Stoffeinheit nicht schon die Klassenarbeit winkt, für die man noch viel büffeln muss wegen der Note,weil immer so viel nach Details gefragt wird und weniger nach Zusammenhängen,
dann könnte es auch ähnlich weiter gehen: mit gewecktem Interesse und Eigeninitiative und Ideen für mehr Arbeit, freiwillig. |
 Beitrag (nur Mitglieder) |
|
|