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Forum: ""Lehrer brauchen Führung" - Neues Buch v. Bernhard Bueb"
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| Ja!! | | von: ishaa
erstellt: 12.09.2008 23:08:41 |
Man mag von dem Mann halten, was man will, was er in diesem Interview von sich gibt, das finde ich gut!
Ein großer Teil meiner Bauchschmerzen, resultierend sowohl aus meiner eigenen Arbeit als auch aus der Betrachtung des Unterrichts, den der eigene Nachwuchs erleidet, wären weg, wenn Schule so funktionieren könnte.
Für den Bereich der HS finde ich, dass viele KollegInnen das, was Bueb an Schülerorientiertheit fordert, umsetzen. Gleichzeitig ist es an dieser Schulform, zumal an kleinen Schulen so, dass jede zweite Schulleitung diesen Job nur notgedrungen übernommen hat, weil niemand wollte. Hinzu kommt, dass Unterrichtsverpflichtung und Verwaltung so immmens viel Zeit fressen, dass für andere Aufgaben verständlicherweise keine Kräfte mehr da sind.
Im Grunde zeigt Bueb auf, wie fürchterlich unprofesionell Schule in Deutschland veranstaltet wird.
Ich hoffe auf regen Meinungsaustausch zu diesem Thema!
ishaa
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| Bueb müsste Bertelsmann heißen | | von: bakunix
erstellt: 13.09.2008 08:39:19 geändert: 13.09.2008 08:54:50 |
Ich gebe Bueb Recht, wenn er von Führung spricht, die die Kolleginnen und Kollegen für sich beanspruchen können. Doch diese Führung ist nicht möglich, wenn Dutzende von Verordnungen wie in RLP den Lehreralltag prägen, etwa wenn die 10-Minuten-Frühstückspause, die ein Lehrer beaufsichtigt, mit 5 Minuten Arbeitszeit gegengerechnet werden muss, wenn unterschieden werden muss zwischen Vertretung und Aufsicht, wenn ab 55 keine Vertretung mehr gehalten werden muss - auch in überalterten Kollegien, und die wenigen Jüngeren die ganze Last zu tragen haben. Insbesondere, wenn Lehrer die weitverbreitete Position vertreten, mit dem Ende des Unterrichts sei ihre Anwesenheitspflicht an der Schule vorbei. In diesem System von kleinteiligen Verrechnungen sind Konflikte eingebaut, weil die einzelnen KollegInnen sich subjektiv immer benachteiligt fühlen.
Doch glaubt hier jemand ernsthaft, dass ein ehemaliger Schulleiter eines Eliteinternats, an dem ein Schüler monatlich 2300 € plus variable Nebenkosten zu zahlen hat (Stand 2006), der Mann ist, der pädagogische Konzepte für das gesamte bundesdt. Schulwesen zu geben in der Lage ist. Er vertritt exakt die Position der Bertelsmannstiftung, die an den Unis mit dem Bologna-Prozess eingeführt worden ist. Zitat aus dem Interview: „Mein Ideal sind Schulen, die staatlich finanziert, aber privat geführt werden.“ Überlegt mal, welche Konsequenzen das hat? Wenn eine private Führung an den Schulen sich aufhält, die nicht, wie bei Schulleitern üblich, ein bis zwei Gehaltsstufen besser bezahlt wird, sondern das Doppelte verdient. Wenn infolgedessen interne Rankings eingeführt werden, wenn Schulbezirke aufgelöst werden, um die Konkurrenz anzuheizen. Wenn Event nach Event zelebriert werden muss, um die Eltern anzulocken, damit diese von der scheinbaren Qualität der Schule überzeugt werden.
Folgerichtig fordert Bueb die Abschaffung des Beamtenstatus’ für Lehrerinnen und Lehrer. Dahinter steckt das Hire-and-Fire-Prinzip aus den USA, wo sehr viele KollegInnen Jahresverträge erhalten, um danach oft wieder auf Wanderschaft gehen zu müssen. Und ganz nebenbei erklärt er das in der Welt einmalige dreigliedrige Schulwesen als zu vernachlässigende Größe. Hier spricht wieder der Elite-Lehrer zum Fußvolk.
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| Wo liegt das Problem? | | von: lupenrein
erstellt: 14.09.2008 02:44:43 |
Herr Bueb hat meiner Meinung Recht damit, wenn er fordert, daß sich ein Schulleiter zur Durchsetzung seiner pädagogischen Ideen das Kollegium aussuchen können muß, das sich dafür am besten eignet.
Auch dafür ist der Beamtenstatus des Lehrers kontraproduktiv.
Ohne die Abschaffung des Beamtenstatus ist "selbständige Schule" leider nur eine Lachnummer.
Das Beamtentum hat nun wirklich nichts mit einer optimalen Vorbereitung unserer Schüler auf ihr zukünftiges Leben nach der Schule zu tun.
Wäre es so, würden andere Länder neidisch auf unsere Schulen sehen...
Statt dessen erleben wir die offensichtlich zunehmende Entmutigung der Schulabsolventen, was die Aufnahme eines Studiums betrifft.
Statt dessen erleben wir, daß es in einem Land, dessen Wohlstand wie kein zweites von den Ingenieurleistungen seiner Unternehmen abhängt, einen immer größeren Mangel an Ingenieuren gibt.
Das wiederum hat auch etwas zu tun mit der Beratung der SuS durch uns, ihre Lehrer.
Statt zum Beispiel dem Fach Technik auch in den Kollegien den Stellenwert zu geben, den Technik als Kulturbegleiter der Menschheit (wie die Sprache und wie die Mathematik übrigens) in der Vergangenheit für uns hatte, jetzt hat und in Zukunft noch mehr haben wird, erlebe ich, daß in den Wahlpflichtfächern nur die zur Technik kommen, die sich für andere Fächer nicht zu eignen scheinen.
Na bravo!
Wer also strickt offensichtlich heftigst mit an der Technikverdrossenheit der jungen Menschen?
Genau! Mehrheitlich verbeamtete Lehrer, für die Technik immer noch bedeutet: "Basteln, bis der Arzt kommt". |
| . | | von: elceng_th
erstellt: 14.09.2008 04:02:47 |
Nach dem langen Filmeabend noch ein kurzer Beitrag.
Statt dessen erleben wir, daß es in einem Land, dessen Wohlstand wie kein zweites von den Ingenieurleistungen seiner Unternehmen abhängt, einen immer größeren Mangel an Ingenieuren gibt.
Völlig richtig.
Mathematik, Naturwissenschaften und vor allem Technik -- all das ist ständig um einen herum. Der Wohlstand ist hierzulande ein technologischer Wohlstand; jeder Dummkopf profitiert ständig und überall ohne Umschweife von den Ingenieurwissenschaften, von den technischen Leistungen, Erfindungen, Innovationen.
Doch es herrscht eine Technikskepsis sondersgleichen. Geringschätzung oder gar Ablehnung einer polytechnischen Bildung innerhalb des Allgemeinbildungskanons ist zunehmend beobachtbar, währenddessen zugleich die Schule heillos überdifferenziert ist an Angeboten für Wahlpflichtfächer.
Das wäre nicht schlimm, überwögen nicht Sprachen, Geisteswissenschaften und Schöne Künste.
(Prozentual leicht in jeder Stundentafel nachzuweisen, daß Fächer der Kategorie MINT nicht einmal gleichberechtigt sind.)
Wo soll der modern allgemeingebildete junge Mensch herkommen, also der umfangreich mathematisch-naturwissenschaftlich-technisch
gebildete junge Mensch, wenn kein Druck besteht, sich - ohne Wahlmöglichkeiten - mit den Fächern Mathe, Physik, Chemie, Geographie usw. intensiv auseinandersetzen zu müssen?
Es wird eine Generation MINT-unfähiger Kinder gezüchtet, denn wo soll bitte das Niveau herkommen, wenn ständig nur der minimal mögliche Konsens gelehrt werden kann, da schon in der Unterstufe zu langsam und zuwenig gelehrt wird.
Die Folge ist ein mangelhaft ausgeprägter Bezug zu diesen Themenfeldern, welcher auch noch sukzessive schlechter wird, je anspruchsvoller die Probleme geraten.
Denn was als Fundament fehlt, kommt nicht irgendwie irgendwann von alleine nach, sondern die Überforderung, das Nichtverstehen verschlimmert sich zusehends.
Und dann stehen in der 10. Klasse oder in der 12. Klasse fast schon mathematisch-technische Krüppel in der Weltgeschichte herum, die dann nämlich auch zurecht sagen: "Ingenieurwissenschaften? Nee, das ist viel zu schwer. Das schaff' ich nicht. Außerdem viel zuviel Mathematik, gräßlich!".
Ein wunderbar geschlossener Teufelskreis.
Volle Zustimmung für lupenrein.
Gute Nacht. |
| Bemerkungen | | von: silberfleck
erstellt: 14.09.2008 10:11:01 |
1. Egal wen Herr Bueb vertritt, in einem muss ich ihm Recht geben: nicht nur Schulen als solche, sondern die Lehrer brauchen eine Führung!
2. Alle Missstände in Gesellschaft und Wirtschaft auf die Schule und die Lehrer oder das Beamtentum von Lehrern zurückzuführen, halte ich für viel zu kurz gegriffen.
Wenn ich Menschen mit bestimmten Berufsbildern wünsche, dann muss ich sie auch ausbilden! Und das ist nicht Aufgabe der Schulen, sondern Sache der Betriebe, die diese brauchen! Schule kann Schüler doch gar nicht explizit für jeden Beruf vorbereiten, sondern nur Grundlagen vermitteln und Interesse wecken. Wahlpflichtfächer haben eben auch etwas mit den Neigungen von Schülern zu tun. auf dem Hintergrund, dass man heute davon ausgehen muss eben nicht mehr wie unsere Eltern einen Beruf zu erlernen und ihn ein Leben lang auszuüben, sollte Schulbildung einerseits breit gestreut sein und andererseits auch die Fähigkeiten der Schüler berücksichtigen.
3. Es mag sein, dass Stundentafeln die Naturwissenschaften oder Technik benachteiligen (die neue Stundentafel in RLP korrigiert dies ja), aber Schüler müssen erst die Grund-Kulturtechniken sicher beherrschen! |
| @silberfleck: | | von: lupenrein
erstellt: 14.09.2008 11:34:51 geändert: 14.09.2008 11:35:51 |
Wir haben sehr wohl etwas damit zu tun, welche Präferenzen unsere Schüler für Schulfächer und danach für mögliche Arbeitsbereiche entwickeln.
Wenn wir nicht vermitteln können, daß Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und der richtige Gebrauch der Rechtschreibung notwendige, wenn auch nicht hinreichende, Voraussetzungen für Erfolg in fast allen Berufsfeldern bedeutet, werden unsere Schüler natürlich scheitern.
Wenn wir vermitteln, daß Lesen und Verstehen des gelesenen Textes Voraussetzung für die Erschließung und die Aneignung von Wissen darstellt, ist das schon ein gewaltiger Schritt in Richtung Befähigung zur Selbständigkeit der von uns Abhängigen.
Wenn klar gemacht werden kann (durch wen wohl, liebe Kollegen?), daß Mathematik nicht nur der Schönheit der Argumentation dient, sondern auch Handwerkszeug darstellt zur Bearbeitung realer Probleme, haben wir und niemand anders die Grundlage dafür geschaffen, daß sich junge Menschen unverkrampft und ohne Vorurteile der Technik zuwenden.
Wenn wir selbst uns klarmachen, daß ohne ein so langsam entstehendes stimmiges Bild in den Köpfen unserer Schüler (schönen Gruß von den Konstruktivisten und von den Neurowissenschaften) von der Welt und den Zusammenhängen in ihr unser Bemühen um Bildung ein Torso bleibt, ist viel erreicht.
Also sage mir keiner, wir könnten nichts tun... |
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