Ich finde, das Prädikat ist ein Satzglied und sollte im Unterricht auch als solches behandelt werden. Es erfüllt eine ebenso klare syntaktische Funktion wie Subjekt oder Objekt und ist kein übergeordneter "Sonderfall".
Für mich als Lehramtsstudentin (Germanistik) und gleichzeitig Vertretungslehrerin an einem Gym ist der Wechsel zwischen Uni und Schule immer wieder amüsant. Und ich muss sagen – was im Unterricht funktioniert und was an der Uni diskutiert wird, sind oft zwei verschiedene Welten.
Aus eigener Erfahrung kann ich jedoch sagen, dass, zumindest in den Einführungskursen meines Studiums (!), die gleiche Auffassung wie in der Schule erklärt wurde – nämlich die Betrachtung des Prädikats als klares Satzglied. So wurde es gelehrt, wenn auch eher am Rande (denn ehrlich gesagt: Die wirklich schulrelevanten Themen wie Satzglieder werden im Germanistikstudium erstaunlich wenig behandelt). Später in Seminaren oder in der linguistischen Fachliteratur taucht dann tatsächlich plötzlich die These auf, dass das Prädikat kein Satzglied sei, sondern sozusagen das strukturelle Zentrum bilde, um das sich die "eigentlichen" Satzglieder gruppieren. Auch das habe ich schon gelesen und könnte sicher auch die Auffassung der entsprechenden Lehrkraft sein.
Solche theoretischen Differenzierungen mögen in der Sprachwissenschaft ihren Reiz haben, aber in der Praxis sind sie oft wenig hilfreich – und manchmal schlicht realitätsfern.
Natürlich kann man Sprache bis ins letzte Detail auseinandernehmen, aber am Ende muss sie im Unterricht auch funktionieren. Wenn eine Analyse so abstrakt wird, dass sie den Lernprozess eher behindert als fördert, sollte man sie zumindest für den Unterricht überdenken.
Im schulischen Kontext zählt zählt doch eigentlich: Was unterstützt das Sprachverständnis und was nicht? Und da ist in meinen Augen eine klare und verständliche Satzgliedanalyse, inklusive Prädikat, der bessere Weg.
Die Uni darf gern weiter differenzieren – ich erkläre es den Schülern trotzdem so, dass sie es verstehen. Irgendwer muss ja.