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Forum: "inklusion"
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| Kritik an Inklusion | | von: friedosus
erstellt: 20.09.2013 08:53:12 |
Hallo scole!
Ich glaube, der folgende Beitrag passt gut zu Deinen Ausführungen.
Überfordert Inklusion die Lehrer?
Das ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, mit oder ohne Hyperaktivität), dessen wahres Ausmaß selten erkannt wird, müsste auch bei schulpolitischen Entscheidungen Berücksichtigung finden, z.B. bei der Einführung der Inklusion, welche das Verschwinden von Förderschulen nach sich zieht.
Die Grundidee der Inklusion ist bestechend. Kinder mit Lernschwierigkeiten werden nicht mehr aus ihrem vertrauten sozialen Verband genommen und in die Förderschule "abgeschoben", sondern verbleiben an einer Regelschule, wo sie von leistungsstärkeren Kindern, so jedenfalls die Theorie, profitieren. Es ist gut vorstellbar, dass dieses Konzept bis etwa 1975, als es noch so gut wie keine ADS-Kinder gab, gut funktioniert hätte. Damals waren lernschwache Kinder in der Regel ebenso gut zu führen wie Kinder an den anderen Schulformen. Leider ist nicht bedacht worden, dass heute ein großer Teil der Förder-Kinder (der größte?) nicht nur Lernschwierigkeiten aufweist, sondern zusätzlich noch in hohem Maße verhaltensgestört ist. Sie verfügen über eine sehr geringe Konzentrationsfähigkeit und neigen stark zu Unterrichtsstörungen. Einige sind sogar als psychiatrieverdächtig anzusehen.
Förderkinder mit ADS (FADSler) bedürfen wegen ihrer psychischen Labilität und den vielen ADS-Symptomen besonderer Rahmenbedingungen und Unterrichtsformen, um im schulischen Alltag zumindest einigermaßen zurecht zu kommen. Einige wichtige seien genannt:
1. Überschaubare Schulen
Kleine Schulen mit geringer Kinderzahl geben FADSlern Sicherheit. Schulsysteme mit an die
1000 Kindern oder mehr verkraften sie schlecht, sie rufen bei ihnen Verunsicherung hervor
oder verstärken sie. Die Neigung zum Ausflippen und zu anderen negativen Verhaltensweisen
kann dramatisch zunehmen.
2. Kleine Klassen
Schon die bloße Anwesenheit anderer Kinder im Klassenraum bewirkt bei FADSlern
Ablenkung. Jedes Kind mehr verstärkt das Problem. 10 Kinder pro Klasse scheint die
Obergrenze zu sein.
3. Wenige Bezugspersonen
Lehrerwechsel können FADSler nur schwer verkraften. Sie benötigen viel
mehr Zeit als "normale" Kinder, sich auf andere Menschen einzustellen und sie zu akzeptieren.
Am ehesten gemäß ist ihnen das Klassenlehrerprinzip .
4. Einzeltische mit ausreichendem Abstand zum Nachbarn, den Blick stets nach vorn gerichtet
FADSler sind nur äußerst eingeschränkt zu selbständigem und sozialem Lernen
(z.B.Gruppenarbeit) fähig. Unterrichtliche Kontakte zu Mitschülern sind eher destruktiver Art:
Sachen wegnehmen oder kaputt machen, mit Radiergummi bewerfen, beleidigen und
auslachen usw. Ständige Lehrerkontrolle ist unabdingbar. .
Diese Voraussetzungen sind an Förderschulen weitgehend gegeben, nicht aber an Regelschulen. Es sieht so aus, dass bereits an diesem Punkt die Inklusion scheitern wird.
Es erscheint mehr als fraglich, ob sich unsere besonders problematische Klientel in einer Inklusions-Schule wirklich wohl fühlt. Ist es nicht eine reine Behauptung, dass sich Kinder, die eine Förderschule besuchen, abgeschoben fühlen?
Was bedeutet die Inklusion für die Lehrkräfte? Sie haben heute, vor allem in Hauptschulklassen, schon genug Probleme mit "normalen" Kindern. Diese steigern sich, wenn Kinder, die gleichzeitig lern- und verhaltensgestört sind, dazu kommen. Die Belastungen dürften die Grenzen des Erträglichen oftmals deutlich überschreiten. Von den Lehrkräften wird erwartet, dass sie einen effizienten Unterricht durchführen, dabei sehr leistungsstarken und –schwachen Kindern gerecht werden, lernunwillige motivieren und auch ständig Störungen abwehren. Ihnen wird eine Herkulesaufgabe aufgebürdet, die kaum zu schaffen ist. So darf es nicht wundern, wenn Lehrkräfte, verschiedenen Untersuchungen zufolge, durch Burnout immer häufiger außer Gefecht gesetzt werden. Auch die Einstellung zusätzlichen Personals würde das Grundproblem nicht an der Wurzel packen.
Fazit: Mit der Inklusion ist weder den Schulkindern noch den Lehrkräften gedient. Es sei denn, es gelingt, das ADS-Problem in den Griff zu bekommen. Damit ist aber kurz- und mittelfristig nicht zu rechnen. Einzig für Grundschulkinder könnte, unter günstigen Bedingungen, die Inklusion von Vorteil sein. Die angeführten Bedenken zur Inklusion gelten nicht für Kinder, die von einer körperlichen Behinderung betroffen sind, z.B. Rollstuhlfahrer.
(Zusätzliche Info: In Finnland, wo bereits seit vielen Jahren Inklusion erfolgreich laufen soll, werden im Grundschulbereich die Schulen von durchschnittlich 100 Kindern besucht, im Sekundarbereich I von 300 Kindern. 97 % aller Schulen haben höchstens 500 Kinder!!)
Friedrich Klammrodt
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