Ich sag's ja, du glaubst es nicht.
Sagst zwar, du weißt nicht, wie ich arbeite.
Gehst aber dann davon aus, (wie so oft), dass es "üblicherweise" ist. Und ich sage dir, es ist nicht dein "üblicherweise".
Wir haben übrigens den Eltern dargelegt, dass wir eigentlich einen Trainingsraum, wie es ihn an größeren Schulen gibt, befürworten würden. Dass wir aber mit unseren Mitteln versuchen, ähnlich zu arbeiten. Dem Ausschluss vom Unterricht sind stundenlange Gespräche mit den Schüler, mit den Eltern, mit beiden zusammen (über Monate) vorausgegangen, immer mit dem Ziel, dass die Schüler ihr Verhalten reflektieren, sich selber Ziele setzen, wie sie es schaffen könnten, das Arbeiten der anderen nicht zu stören. Den letzten Anstoss zur Ordnungsmaßnahme gaben nicht die Unterrichtsstörungen, sondern massive tätliche Angriffe auf Mitschüler (wiederholt und über lange Zeiträume, mit zunehmender Tendenz).
Manchmal gibt es Schüler, die wir mit Lob, Anerkennung (für das, was sie sind, für das, was sie können), mit Ernstnehmen und der Übertragung von Verantwortung nicht erreichen können. Dafür können die Kinder nichts, das hat seine Geschichte. Aber manchmal können wir ihnen nicht helfen. Vielleicht könnte das jemand anders. So eine Ordnungsmaßnahme hat manchmal den Zweck, den Eltern klarzumachen, dass dieses Kind mit seinem Verhalten nach Hilfe schreit, und dass außer uns auch andere Hilfe nötig ist.
"Schutz der anderen als Ausrede". Der Satz basiert auch auf deiner Annahme, dass fast überall "üblicherweise" ist.
Schutz vor tätlichen Übergriffen ist klar.
Aber es bezieht sich auch auf den Schutz ungestört arbeiten zu können. Ich weiß, du stellst dir bei solchen Aussagen immer vor, dass der Lehrer ungestört seine frontalen Belehrungen durchziehen möchte.
Konkret und nicht "üblicherweise" sieht es jedoch so aus, dass die Eltern der "störenden" Schüler z.T. der Ansicht sind, dass wir das ja selber Schuld sind, wenn sie "stören", da wir die Klasse "nicht im Griff" haben. Warum auch müssen die Kinder an Gruppentischen sitzen, immer wieder anders, je nachdem, was gerade ansteht. Warum dürfen sie im Unterricht in einzelnen Phasen überhaupt so viel reden, warum machen in manchen Stunden alle was anderes, warum darf man durch die Klasse gehen, um sich Material zu suchen, warum sitzen die faulen Lehrer oft in einer Ecke und die Schüler machen den Unterricht. Setzen wir sie doch einfach in Reih und Glied, stehen da vorne (sozusagen mit gezückter Pistole) und Ruhe ist im Karton.
Massive Unterrichtstörung heißt z.B., dass ein Schüler immer dann, wenn ich mich einem einzelnen Schüler zuwende (für ein Gespräch, um eine Arbeit anzusehen, eine Frage zu beantworten), aufsteht, um einen anderen zu schlagen oder zu treten. Es heißt auch, dass fast jeder Gang durch die Klasse (zum Bücherregal, zum Papierkorb, um jemand anders um einen Stift oder Hilfe zu bitten), für die gleiche Aktion genutzt wird. Dass fast jede Gruppe, in der der Schüler mitarbeitet, nach kurzer Zeit beantragt, ihn ausschließen zu dürfen, weil ein Mitschüler auf mieseste und ordinärste Weise beleidigt wurde. Dass ich nicht hinten in der Klasse sitzen kann, wenn Schüler Unterricht machen oder etwas präsentieren, weil dann die agierenden Schüler durch Mimik, Gestik und gezischte Bemerkungen massiv beleidigt und lächerlich gemacht werden.
Die meisten "Störenfriede" lassen sich anstecken von unseren Arbeitsformen und die Schüler selbst sind gar nicht schlecht darin, bei ihnen Verhaltensänderungen zu bewirken. Bei einigen schaffen sie es nicht, und wir auch nicht.
Ordnungsmaßnahmen sind ein Eingeständnis von Hilflosigkeit. Bei manchen Schülern bin ich hilflos. Aber stattdessen den "frontalen Wachhund" zu geben, wie einige Eltern es anscheinend als richtig ansehen, das wäre Hilflosigkeit pur.
Sorry, war wieder ein bisschen viel
ishaa