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Forum: "Textaufgaben: Müssen alle Rechenschritte aufgeschrieben werden?"
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 | Gewicht auf den geistigen Ansatz und das Mitdenken. |  | von: elceng_th2

erstellt: 21.01.2009 02:16:17 geändert: 21.01.2009 02:28:50 |
Wir konzipieren unsere Leistungsnachweise in der Grundschule immer so, dass sich die Bepunktung einer Aufgabe nach der Anzahl der aufzuschreibenden Rechenschritte richtet.
Das ist schonmal kritikwürdig, denn das heißt, Aufgaben, die vom Ansatz her, sprich von der geistigen Leistung her, anspruchsvoller sind als von der mathematischen Notation, werden erheblich benachteiligt.
Kinder sollten von Anfang an mitbekommen, daß es wichtiger ist, den roten Faden zu erhaschen und eine Bombenidee hinzuschreiben, als einen längeren Rechenweg fehlerfrei umzusetzen.
Nicht falsch verstehen: Ich bin ein Verfechter härtesten Händerechnens, denn das fehlt dem Mathematikunterricht (neben allgemein niedrigem Niveau) spürbar an allen Ecken und Enden. Und Handwerkszeug gehört nunmal dazu bzw. ist die Voraussetzung für das Betreiben von Mathematik.
Doch in der Bewertung muß es so sein, daß ein vertretbarer handwerklicher Fehler keine Zensurenkatastrophe verursachen darf.
Im Gegenzug muß schärfster Punktabzug auf dummdreistes Verhalten erteilt werden, d.h. wenn Schüler Ergebnisse rotzfrech hinschreiben, die offenkundig zum Himmel schreiender Blödsinn sind.
Plausibilitätsüberprüfungen sind ein hohes Gut, im einfachsten Falle also die Probe und später der logisch-naturwissenschaftliche Vergleich mit der Lebenserfahrung/ der Realität (Kann eine lumpige Kiste voll Wasser das Gewicht eines Supertankers übersteigen?!). Kinder, die gesunden Menschenverstand und Fachwissen beweisen, und vielleicht sogar einen frühen Rechenfehler zum Schluß erkennen und einen Satz vermerken, daß das Ergebnis nicht stimmen kann, aber meinetwegen die Zeit fehlt, erneut zu rechnen, solche Kinder müssen belohnt werden gegenüber den Paukern und den Nichtdenkern, die irgendwas ohne Sinn und Verstand doppelt unterstreichen.
Daher ist die Punkteverteilung bezogen auf die Anzahl der Schritte pädagogisch nicht sinnvoll und widerspricht auch dem Vorgehen in der Fachdisziplin selber.
In der Physik ist es nicht anders; wir haben im Studium Klausuraufgaben gehabt, die in drei Zeilen lösbar waren und 8 Punkte (zurecht) brachten, 5 davon für die erste Zeile.
Müssen bei einer Textaufgabe alle Rechenschritte aufgeschrieben werden oder können auch Rechenschritte im Kopf gerechnet werden? Gibt es dann trotzdem die volle Punktzahl?
In der Grundschule sollte alles notiert werden. Das hat gegenüber guten Schüler erzieherische Gründe wie den Zwang, allgemein verständlich zu rechnen. Nichts ist schlimmer als Leute, die sich einbilden die Hälfte im Kopf zu machen und dann sensationellen Müll fabrizieren, der nicht mehr nachvollziehbar ist. Und andersherum tut es den normalen und schlechten Schülern gut, einen Anker im Formalismus zu finden und Folgefehler leicht ergattern zu können.
Das bringt gleich einen weiteren Vorteil für ausführliche Rechnungen mit, denn wer bspw. schon bei "gegeben-gesucht" einen Abschreibfehler der Zahlenwerte oder ähnliches zaubert, dann jedoch alles richtig zuenderechnet (und das Ergebnis nicht mißtrauisch machen kann), der kann noch die Hälfte oder ein bißchen mehr aller Punkte erhalten! Folgefehler eben.
Wie wird das z.B. in den unterschiedlichen Schultypen in der Sekundarstufe I gehandhabt?
Je älter die Kinder werden, desto mehr Freiräume müssen sie haben, so daß Ihre Eigenständigkeit und Verantwortung gegenüber den Dingen steigt. Ein Neuntklässler der Realschule sollte es bspw. unterlassen, nach den ersten zwei, drei Einführungsstunden die Mitternachtsformel für quadratische Gleichungen und quadratische Bestimmungsgleichungen in allen Einzelheiten auszurechnen. Da gehts los mit x_1_2 ist gleich minus p halbe plusminus wurzel p halbe quadrat minus q und dann ist die nächste Zeile wurzelfrei und gleichnamig! Außerdem fehlt doch irgendwann die Zeit in der Klassenarbeit, ellenlange Rechnungen superfein auszuschreiben; da muß schon aus Effizienz- und Zeitgründen das Kopfrechnen kommen.
So war das zumindest in meinem (traditionellen und überaus lehrreichen) Matheunterricht. Leistung ist nunmal Arbeit bezogen auf Zeit und wer langsam ist, kann keine '2' oder '1' erreichen. Und jede Einzelheit hinzuschreiben, macht langsam.
Viele Grüße
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 | Zwischenbemerkung |  | von: ysnp

erstellt: 21.01.2009 16:41:01 geändert: 21.01.2009 16:43:46 |
@wabami: Danke für deine klare Differenzierung. In der Grundschule begegnen uns manchmal Aufgaben, die man tatsächlich ohne Rechenschritte aufzuschreiben durch Ausprobieren z.B. (wir haben ja noch keine Formeln) lösen kann. Hier kommt es manchmal vor, z.B. wenn man bestimmte Zahlen finden muss, dass die Schüler nur das Ergebnis aufschreiben sollen.
Zur Klärung:
Mit "Rechenschritten" meinte ich nicht das formale Rechnen, sondern das Aufschreiben der Rechnungen (wir haben ja keinen xy Ansatz) selbst.
Bei Zahlenrätseln verlangen wir unter Umständen einen grundschulgerechten Ansatz mit Platzhaltern (oder Pfeilaufgaben), den wir extra bepunkten.
Bei Sachaufgaben bepunkten wir die Rechnung, also den Rechenweg, die zum Ergebnis führt in der Regel mit einem Punkt und das Rechenergebnis mit einem halben Punkt. Rechnet jemand mit dem falschen Ergebnis, aber mit dem richtigen Rechenweg weiter, zählt das als Folgefehler. Also wird die Denkleistung bei Textaufgaben wesentlich höher bewertet als das formale Rechnen - denn formale Rechenaufgaben befinden sich ebenfalls in der Probe.
Zum Anspruch:
Eine Probe ist so durchkonzipiert, dass sie Aufgaben in verschiedenen Schwierigkeitsstufen erhält (das ist ja in unserem Bundesland Vorschrift), also wird schon durch die Wahl der Aufgaben das Niveau der Proben festgelegt; das muss nicht extra über die Bepunktung laufen.
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Gibt es weitere Meinungen zur Ausgangsfrage?
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 | @hugo |  | von: ysnp

erstellt: 21.01.2009 20:02:08 geändert: 21.01.2009 20:11:27 |
Bei uns ist es immer klar, dass bei Textaufgaben alle Schritte aufnotiert werden müssen.
So rechnen wir auch die Aufgaben in der Schule. Außerdem werden mit den Kindern die Proben, bevor sie anfangen, durchgesprochen und bei Unklarheiten darauf hingewiesen.
Es ist einfach das Übliche.
Unüblich ist, nur das Ergebnis hinzuschreiben. Wie auch bei feul gibt es bei solchen klaren Gepflogenheiten im Prinzip keine Probleme.
Allerdings weiß ich eben nicht, wie das andere Schulen machen, da gibt es tatsächlich schon zwischen den Grundschulen (siehe auch den Beitrag von joqui) Unterschiede.
Mir ging und geht es bei der Ausgangsfrage um den fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Aspekt und auch wie das in den Schulen der Sekundarstufe gehandhabt wird - also was da gefordert wird, denn es ist für mich interessant, wie es dann weitergeht.
Meine persönliche Ansicht:
Wenn ich naturwissenschaftlich arbeite, "beweise" ich etwas. Also beweise ich durch das Hinschreiben der Rechenwege mein Vorgehen und kann es sogar verschriftlichen.
Es gibt immer mal wieder vor allem begabte Kinder, die ihren Rechenweg nicht systematisch aufschreiben können, da sie intuitiv rechnen. Deswegen sollte man das auch im Sinne eines systematischen naturwissenschaftlichen Denkens üben und auch verlangen.
Nebenaspekt: In der Grundschule lassen wir verschiedene Arten der Rechenwege zu, wenn sie zum richtigen Ergebnis führen. Es geht nicht um die Formel können und anwenden.
Die neue Fachdikaktik in der Grundschule geht sogar so weit, dass sie die Versprachlichung der Gedankengänge - also das Argumentieren - fordert. |
 | . |  | von: elceng_th2

erstellt: 21.01.2009 22:11:29 geändert: 21.01.2009 22:16:19 |
Was ist mit den Kindern, die die Lösung wussten und nur das Ergebnis hingepinselt haben, weil der Kopf so schnell rechnet und das Kind nicht auf die Idee kommt, dass es irgendwelche Schritte notieren muss?
Dann muß solchen Kindern der richtige Umgang mit mathematischem Handwerkszeug anerzogen werden. Notation und Formalismus sind Kernbestandteile der Fachdisziplin Mathematik und der Schulmathematik. Wir mußten damals in der 1. Klasse beim Lösen von Gleichungen und Ungleichungen wenigstens eine knappe Begründung abgeben, da das algorithmisch-kalkülmäßige Lösen ja erst Mitte/Ende der 4. Klasse bzw. zur 5. Klasse einsetzte und es für uns den Befehlsstrich "Auf beiden Seiten der (Un-)Gleichung!" noch nicht gab.
Das sah so aus:
Aufgabe: Berechne! 8 + a < 11
---> a = 0, 1, 2 denn 8 < 11, 9 < 11 und 10 < 11
Und für Hochbegabte darf gleich gar keine Ausnahme eingeführt werden, denn auch solche Kinder haben zu begreifen, daß formal nachvollziehbar und für andere verständlich zu rechnen ist. Hier geht's ums Prinzip, welches ohne Abstriche von Anfang an in die Denkweise der Kinder implementiert werden muß, denn irgendwann entfernt sich die Schulmathematik vom überschaubaren Zahlenrechnen. Wenn ich nächste Woche mein Heft aufschlage, muß ich die Rechnung heute so notiert haben, daß ich nächste Woche verstehe, was ich heute eigentlich gerechnet habe. So einfach ist das. Reine Erziehungssache.
Beste Beispiele, wo man sofort merkt, daß diese mathematische Erziehung in Kindertagen fehlte, sind diverse Professoren und deren Bücher.
Statt verständlichen Rechnungen oder der physikalischen Erläuterungen zu einem Ansatz, stößt man auf unverdauliche Brocken, falls überhaupt Zwischenschritte mitgeteilt werden.
Würden die Herrschaften selber rechnen und das ganze pädagogisch und fachwissenschaftlich sinnvoll aufbereiten, d.h. z.B. selber rechnen, gäbe es nicht diese Unmenge Rechenfehler, Schreibfehler, fachlich falscher Angaben in so einigen Fachbüchern. Denn was da ohne Sinn und Verstand geklaut, abgeschrieben und unkritisch übernommen oder einfach mangels guter formaler Rechenfertigkeiten versaut wird, ist echt schlimm.
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