Mit Verlaub, wenn einem nichts Beßres einfällt, als eine aufschlußreiche Studie sofort in ein Licht des Lobbyismus zu rücken...
Es gibt griffigere Beispiele, den zunehmenden, ungesunden Einfluß der Wirtschaft aufzuzeigen.
Sezieren wir den Artikel doch kurz.
Die Bedingungen für Lehren und Lernen verschlechtern sich - „Wer heute noch den Lehrerberuf ergreift, weiß nicht, was auf ihn zukommt oder kann nur grenzenlos naiv sein“, meint eine Lehrerin im Raum Stuttgart, die 40 Dienstjahre mit vollem Lehrauftrag unterrichtet hat.
Polemisch. Natürlich richtig, trotzdem nicht besonders intelligent, einen Artikel mit solcher stammtischartiger Stimmungsmache zu beginnen.
Ist ja schon wie in den Schwafelblättern "Spiegel" oder "Stern.
„Immer weniger Spitzenabiturienten gehen in diesen Beruf“, berichtet Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL).
Da gibt es Themenfelder, denen ergeht es noch viel, viel, viel schlimmer.
Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften.
Ich führte jene selbstverschuldete Schieflage des Systems aufgrund der überdifferenzierten allgemeinbildenden Schulen schon an anderer Stelle aus.
Die Verkürzung der Ferien, die Einführung von sinnlosen Präsenz- und Konferenzzeiten und der Einsatz zusätzlicher, gering qualifizierter und bezahlter Hilfskräfte in den Schulen treiben den Abstieg des Lehrerberufs weiter voran.
Wo sind denn bitte die "gering qualifizierten Hilfskräfte"? Wer soll das sein?
Die leistungsstarken Studenten im Hauptstudium, die für einen geringen Stundenlohn mit relativ großem Idealismus die Hausaufgabenbetreuung übernehmen?
Oder die hochqualifizierten Quereinsteiger mit Diplom oder Magister, die mit ihrem akademischen Grad immerhin höher qualifiziert sind als ein normaler Lehrer?
(gemessen am einfachen Zugang zur Promotion)
Die Ganztagsschule, die immer noch gebetsmühlenartig als die Patentlösung aller Schulprobleme propagiert wird, fordert ihren zeitlichen und nervlichen Tribut.
Das ist neu.
Wo die Tagesschule anständig, ernsthaft und mit Elan gemacht wird, klappt es. Ohne "nervlichen Tribut".
Man gewinnt den Eindruck, hier soll ein überlegenes Konzept relativiert werden, nur weil sich einige in der praktischen Umsetzung zu dumm oder einfach unwillig anstellen.
Fehlt nur noch ein Satz der Kategorie: "Halbtagsschule! Das haben wir schon immer so gemacht. Das hat hier doch Jahrzehnte funktioniert!"
Auch den Beamtenstatus möchte man den Lehrern immer wieder entziehen, weil ein bundesweiter Lehrermarkt der Zielsetzung eines privatisierten Bildungsmarkts entgegenkommt. Lehrer, die ihre Haut zu Markte tragen müssen und dann quasi Leibeigene einer Schulfirma sind, verhalten sich anpassungsbereiter, denn sie sind unsicher und stehen unter Druck.
Da kann man ja fast Mitleid bekommen. Lehrer als Angestellte - die armen Hunde! Eine Tüte Mitleid bitte.
In Sachsen funktioniert das seit Jahren gut und jeder Lehrer, den ich darauf ansprach, räumte ein, den Angestelltenstatus als Motivation für den Beruf zu empfinden. Der Beamtenstatus dagegen könne nur Gift sein, da zuviele und zu starke Privilegien damit verbunden seien, einschließlich der Gefahr, irgendwann in eine "Ich mache was mir paßt und ihr könnt mir sowieso nichts"-Haltung abzurutschen.
Den Lehrer als Beamten abzuschaffen ist überfällig, aber nicht zwangsläufig die Schaffung eines marktwirtschaftlichen Wettbewerb.
Ein bißchen Druck täte einigen Lehrern gut; hier im Forum beschweren sich doch auch immer unnd immer wieder Leute, wie beknackt sich einige Kollegen besonders im Grundschulbereich aufführen.
Solange es den Beamtenstatus gibt, wird man solchen Rohrkrepierern ("Ich vergebe nie 1en!", "Ihr Kind ist doch dumm und müßte auf die Hilfsschule!", "Für das Gymnasium ist ihr Kind zu eng am Prekariat!") nicht beikommen können.
Also was nun? Bieder herummeckern, wie die Deutschen das so gerne tun, oder handeln und Verbesserungen einführen?
Wenn es dann wieder Berichte hagelt über Lehrer, die Scheiße verzapft haben, ist die Autorin des Textes bestimmt dicke da und poltert dann genau gegen diese Kollegen mit dem Hinweis "Tja, leider verstecken sich diese schwarzen Schafe - die natürlich sowieso Einzelfälle sind - hinter ihrem Beamtenstatus.".
Die Bundesländer schnappen sich gegenseitig die Pädagogen weg, besonders die Lehrer für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften [...]
Siehe oben.
Wer jahrelang und jahrzehntelang das Themenfeld MINT als verbindlichen Schwerpunkt gegen eine überdifferenzierte Schule tauscht, in der der Großteil der Schüler unter dem schwachen Vorwand "individueller Interessen" in vertiefte Richtungen wie Kunst usw. ausweicht, der brauch sich nicht wundern, wenn irgendwann die Schülerschaft unfähig ist, ein MINT-Studium intellektuell zu bewältigen und/oder dies von der Motivation gar nicht möchte.
Der Lehrermangel ist eine der Hauptursachen dafür, dass viele Klassen weiterhin über 30 Schüler umfassen
Falsch. Hauptursache ist die absolut fehlgeleitete Strukturpolitik. Statt einer (teuren) kommunalen Schulstruktur ist die Maßgabe in Deutschland die (billige) Großschule, die soviel als möglich überstreichen sollte, um noch billiger werden zu können.
Lehrermangel kann es in der propagierten Form nicht geben, wenn man sieht, wie drastisch überschwemmt die Lehramtsstudiengänge an den Universitäten sind.
No-name, stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Philologenverbands (DPhV), stellt dazu fest: „Neue Lehrmethoden lassen sich in diesen großen Klassen nicht verwirklichen. Hier kann der Lehrer zum Beispiel Kleingruppen im Fach Chemie nicht experimentieren lassen. Das wäre zu gefährlich. Die Aufsicht ist nicht gewährleistet. Die Klassengröße steht also kontraproduktiv zu allen neuen Erkenntnissen der Unterrichtsforschung.“
Der altbekannte Blödsinn, den der Philologenverband gerne erzählt.
Soweit ich mich erinnere, gab es nie Aufsichtsprobleme in meinem Chemieunterricht. Sowas steht und fällt mit der Disziplin.
Eine kleine Klasse kann von einem echten Störenfried genauso behindert werden.
Und nur mit einem Bildungswesen unter staatlicher Obhut bleibt das Ziel der Chancengleichheit für alle jungen Menschen gewahrt. „Auf die staatlichen Prinzipien wird leider von den verantwortlichen Politikern zu leichtfertig verzichtet. Und so besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft zu viel Einfluss bekommt“
Das ist schon Jahre allgemein bekannt und nichts Neues.
Druck durch zentrale Tests und folglich verschärfte Selektion zerstören die Lust am Lernen auf Seiten der Schüler. Wer Angst hat, kann überhaupt nicht lernen.
Schlimmer als ein gegliedertes Schulsystem kann es gar nicht werden, denn das ist per Definition das Höchstmaß an Selektion und Druck.
Ein lächerlicher Einwand.
Zumal auch nicht eindeutig ist, ob "zentrale Tests" nur die unsinnigen länderübergreifenden Leistungsfeststellungen meint oder auch Sinnvolles wie das Zentralabitur oder den Zentralabschluß nach Klasse 10.
Schon ist man auf dem besten Wege, den „Iron-Teacher“ heranzuzüchten
Toller Anglizismus; besonders viel Bildung kann beim Autor demnach nicht hängengeblieben sein.
Die Selbstständigkeit der Schule stellt sich als selbstständige Verwaltung des Mangels heraus. Die Konkurrenz unter den Schulen macht starke Schulen stärker und schwache Schulen schwächer.
Jahrelang die "Autonomie der Schule" fordern, geradezu in den Mittelpunkt rücken, unterdessen ein zentralistisches Einheitsschulsystem ablehnen, und nun paßt es nicht so wie gedacht?
So funktioniert das Spiel nicht.
Unterstellt man der genannten Studie Lobbyismus oder zumindest einseitige Hervorhebung wirtschaftlicher Aspekte, so ist dieser Artikel nicht besser, sondern regelrecht dilettantisch.